Philipp
Schmidt-Rhaesa,
Universität Osnabrück:
Entwicklung der Liedermacherei (-2-)
2. Die 70er Jahre als Blütezeit
Etablierter Kulturzweig
Zu Beginn der 70er Jahre sind zahlreiche Folk- und
Liedermacherfestivals
bereits fest etabliert. Immer noch steigt ihre Zahl rapide an.
Die neuen Künstler haben großes Medien- und nicht zuletzt
kommerzielles Interesse erregt. Manche der Waldecker Liedermacher sind
bald "Stars" mit festen Plattenverträgen (Degenhardt, Mey).
Die Waldeck und die Festivals in ihrer Folge lösen eine ungeheure
Kreativitätswelle aus. Hunderte von Künstlern beginnen,
selber
Lieder
zu schreiben und damit aufzutreten. Der Liedermacherboom wird nicht
nur privat hervorgebracht. Auch große und kleine Plattenfirmen
erkennen den neuen Markt und fördern zahlreiche Liedermacher;
kaum eine Firma, die nicht ihren "Hausheiligen" protegiert. Dabei
existieren noch keinerlei Qualitätsmaßstäbe, gehandelt
wird, was Geld verspricht:
"[...] eine Frage muss
doch erlaubt sein:
Warum wieder Quantität statt Qualität? Warum nach den Flops
mit
Rock- und
Mod-Gruppen jetzt Liedermacher &
Verwandtes
aus der Retorte? [...] Merke: Liedemacher sind immer gut. Man muss
das nur häufig genug sagen. [...]
Gezielte
geschäftliche Manipulationen sind offensichtlich ein neuer Faktor
in der
Geschichte
des Liedermacher-Machens."
Politische Kunst - Politischer Kampf
Die 70er Jahre sind eine politisch hochbewegte Zeit.
Die aus den 60er
Jahren bereits politisch geprägte und aktive Liedszene geht in den
Auseinandersetzungen der neuen Dekade voll auf: Notstandsgesetze,
Berufsverbote,
Arbeitslosigkeit, Vietnamkrieg, Atomrüstung,
Atomkraftwerke rufen große Gruppen zum Protest auf. Es formieren
sich große Bewegungen (Friedensbewegung,
Anti-Atom-Bewegung) und auf regionaler Ebene unzählige
Bürgerinitiativen.
Auch kommt es in der bewegten Dekade immer wieder zu
großen Streiks (Metallarbeiterstreik 1970, Chemiearbeiterstreik
1971, Druckerstreik 1976 usw. ).
Ein Teil der etablierten Szene der Waldeck-Ära nimmt mit klaren
politischen Stellungnahmen an den politischen Auseinandersetzungen
der Zeit teil. Dieter Süverkrüp und Franz-Josef
Degenhardt engagieren sich in der DKP. Ersterer meldet sich
intensiv in der
Streikbewegung zu Wort und singt regelmäßig in und vor
Fabriken.
Degenhardt konzentriert sich neben ähnlichen Aktionen auf
gewerkschaftliche Arbeit.
Walter Moßmann, der nach dem Ende der
Waldeck-Festivals zunächst
nicht mehr aufgetreten war, profiliert sich ab 1974 mit einem
neuen Typus politischer Lieder. Besonders im Zuge der
Auseinandersetzungen
um den Bau des Atomkraftwerks in Whyl verfaßt er eine
Reihe von Liedern, die sich durch "einen öffentlichen
Gebrauchswert
auszeichen sollen" . Die so entstehenden "Flugblattlieder"
gehören zu den wenigen Liedern der Liedermacherszene, die
unabhängig
von ihrem Autor bekannt sind (etwa: "KKW-Nein-Rag", "Der
neudeutsche Zwiefache", "Ballade von Seveso" ).
Die schon auf der Waldeck postulierte politische
Liedästhetik wird
auch vom Heer des Nachwuchses mitgetragen: nicht nur die
bekannten Waldeck-Liedermacher nehmen an politischen Veranstaltungen
teil. Liedermacher sind Dauergäste bei Demonstrationen,
Streiks, Bürgerinitiativen, Diskussionsveranstaltungen etc. Viele
neue Namen etablieren sich so direkt im politischen Tagesgeschehen
(Dietrich Kittner, das Liedkabarett Floh de
Cologne, Ekkes Frank, Schlauch
, Lerryn , Reinhard Meurer, Wolfgang Hering, Anni
Becker, u.v.a.).
Die schon auf der Waldeck von den radikalisierten Sängern
ausgeschlossene
Szene bezieht distanziert Stellung. Den Protagonisten
(Hüsch, Stählin, Mey u.a.) kommt es darauf an, politisch
unabhängig zu bleiben, ohne ihren (auch) politischen Anspruch
aufzugeben.
Während Mey bereits über einen Vertrag mit dem
Plattengiganten
Intercord internationalen Ruhm anstrebt, widmet sich Hüsch weiter
dem Kabarett und arbeitet als Sprecher ("Väter der Klamotte",
"Dick und Doof"). Christof Stählin gründet
einen eigenen Verlag
("Nomen & Omen"), um völlig unabhängig von fremden
kommerziellen
Interessen arbeiten zu können.
Neben der bekannten Szene gibt es eine gewaltige Welle
an Nachwuchs.
Eine große Zahl an neuen Liedermachern lässt sich durch
die
großen Folklore- und Songfestivals der Zeit anregen und
trägt
sie gleichzeitig mit.
Insgesamt herrscht in den 70ern eine intensive
Diskussion der Künstler
untereinander um Aufgabe und politische Gesinnung des
Liedermachers. Gleichzeitig zur Präsenz der Liedermacher im
politischen
"Kampf" ziehen sich viele aus den Auseinandersetzungen auf
"private Inseln" zurück.
Doch hier wie dort, im "eher privaten" wie im "eher politischen"
Spektrum
finden die Liedermacher das ganze Jahrzehnt hindurch ihr
Publikum.
Garstige Kinderlieder
Die politischen Liedermacher der 70er Jahren beginnen,
mit neuen Kinderliedern
den Gedanken politischer Aufklärung und Agitation
schon sehr früh anzusetzen. Das erste und wohl wichtigste
Kinderlied
ist dabei Süverkrüps "Baggerführer
Willibald" . Das Lied
("Gegen privates Hauseigentum": Bauarbeiter "enteignen" einen "Boss",
um selbstbestimmt zu leben und zu arbeiten) erfreut sich großer
Beliebtheit in Schulen und Kindergärten und wird daher rasch ein
Politikum. 1975 wird im niedersächsischen und im
nordrhein- westfälischen Landtag von konservativen Politikern der
Antrag auf Verbot gestellt .
An den Versuch von Süverkrüp knüpft ab
Mitte der 70er
das Duo Christiane (Knauf) und Fredrik (Vahle)
an.
Ihre erfolgreiche Platte
"Die Rübe"
enthält ausnahmslos Lieder politischer
Konzeption.
Es geht ihnen darum,
"Lieder zu singen, die ihnen [den Kindern]
Spaß machen und in denen sie
Personen finden, mit denen sie sich
identifizieren können. Die ihnen auf
lustige und einprägsame Art zeigen, wie man Probleme
gemeinsam löst.
[...] Die Kinder sollen Vertrauen zu ihren eigenen
Fähigkeiten
fassen:"
|
|
Dieser Ansatz erfährt in den progressiven Berliner
Kindertheatern
"Rote Grütze" und
"Grips" eine weitere
Steigerung und
Fortentwicklung. Im gleichen Sinne entstehen in den 60ern und 70ern
zahlreiche Weihnachtsliedbearbeitungen,
die zumeist Konsumrausch und
sinnentleerte Festgemütlichkeit kritisieren.
Folk-Revival
Als Parallele zur neuen Chansonbewegung der Waldecker
Zeit mit ihrer
festen Verankerung in Studenten- und Friedensbewegung
einerseits, auf dem allgemeinen Musikmarkt andererseits entwickelt
sich zu Beginn der 70er Jahre das sogenannte (Deutsche)
Folk-Revival.
Das Folk-Revival kennzeichnet eine verstärkte Beschäftigung
mit dem deutschen Volkslied und mit schon bekannten Formen
internationaler Folkore. Gruppen wie Elster Silberflug,
Ougenweide
und Zupfgeigenhansel treten mit Volksliedprogrammen auf
den
Plan. Hannes Wader, der in dieser Zeit die
Öffentlichkeit ebenfalls
mit einer reinen Volksliederplatte überrascht , ist ein Beispiel
für
die
enge Verbindung von Folk-Revival und Liedermacherszene. Wader hatte
allerdings bereits zur Waldeck-Zeit die zunächst paradox
anmutende Bezeichnung "Eigene Volkslieder" für seine Lieder
erfunden
.
Tom Kannmacher wird als Drehleierspieler
richtungweisend für die
breite Beschäftigung mit alten Instrumenten.
In beinahe allen größeren Städten
entstehen Folkclubs
unterschiedlicher Spezialisierung, in denen Liedermacher und
Folk-Revivalisten
auftreten, Workshops und Diskussionen veranstalten, sich treffen und
arbeiten. Die entstehenden Folkclubs werden in den 60ern und
70ern als eine wichtige Errungenschaft der Gegenkultur in der Folge
der 68er empfunden .
Das Folk-Revival ist keine in sich abgeschlossene
Bewegung; es hat eine
sehr große Schnittmenge mit der aktuellen Liedermacherszene
und entwickelt sich parallel. In jedem Falle sind viele Liedermacher
durch ihre Beschäftigung mit Volksliedern "Folk-Revivalists",
manche Revivalists dagegen auch Liedermacher. Immerhin dominieren die
Liedermacher eines politischen Selbstverständnisses das
Folk-Revival so weit, dass "unpolitische" Gruppen unter dem Namen
"Happy Folk" heftigen Angriffen ausgesetzt sind . Auch für das
Folk-Revival besteht die Gefahr einer politischen Fraktionierung:
"Die Folkszene scheint
wieder politischer zu
werden. Die Überzeugung macht sich breit, daß man mit
Liedern
etwas
erreichen kann. [... Es] besteht die Gefahr,
daß die Politisierung im Fragmentarischen stecken bleibt - wie
damals
auf der
Waldeck." (Barbara James)
Dialektszene
Das Folk-Revival bringt eine breite Beschäftigung
mit Dialekten
mit sich. Viele Liedermacher entdecken die Dialekte ihrer Heimatregion
als verschüttete Tradition wieder und beginnen, Dialektlieder
zu schreiben. Im Elsaß ist es Roger Siffer, in
Baden Walter Moßmann,
in
Bayern Biermösl
Blosn. Am Niederrhein macht sich Günter Gall
in diversen Formationen (Mulwerk, Fukkepott, Düvelskermes) um
Sprach- und Liedgutpflege verdient, im plattdeutschen Raum Hannes
Wader
und Helmut Debus und im "Kohlenpott" Frank Baier,
um
nur einige Exponenten zu nennen.
Viele der neuen Dialektsänger arbeiten nebenher auf Hochdeutsch,
um auch einem größeren Publikum "verständlich" zu
bleiben.
Ein so
dauerhafter Erfolg wie den Kölner Gruppen BAP und Bläck
Föös,
die beide schon in den 70er Jahren erste Auftritte bestreiten, ist kaum
einem Dialektsänger beschieden. Trotzdem ist die Dialektszene
ein wichtiger, wenn auch eher regional wirkender Bestandteil der Szene.
Die "Neuen Volkssänger"
Bei der Blüte von Liedermachern und Sängern
von internationaler
Folklore und deutschen Volksliedern wird relativ rasch auch die
Frage gestellt, ob dieser verbreitete Typ jetzt der neue
"Volkssänger"
sei. Es ist anders formuliert die Frage, ob der Traditionsbruch in
der eigenen Liedgeschichte und im Verhältnis zum Lied mit
Folk-Revival
und Liedermacherszene beseitigt wäre. Die Frage kann weder
bejaht noch verneint werden. Zwar ist die breite Rückbesinnung und
Erneuerung nicht zu leugnen,
doch hat die "Folkmusik" neuer Prägung einen beträchtlichen
Formwandel hinter sich. Die Tatsache, dass es meist einzeln auftretende
Sänger oder kleinere Gruppen sind, die Exponenten des
Volksliedes werden, bewirkt eine Identifikation des Liedgutes mit
seinen
Interpreten. Es gibt folglich kaum Lieder der
Liedermacherszene, die ohne ihren Schöpfer lebensfähig sind
(siehe Punkt 2.2.2.).
Auch dem unveränderten, alten Volkslied geht es nicht anders.
Bernhard Lassahn stellt fest:
"Die Stars des
neuentdeckten deutschen Volksliedes,
Wader und Zupfgeigenhansel, sorgen für die Verbreitung der
Lieder, und sie sorgen gleichzeitig für
eine Verschlankung des Sängerangebots: Der Erfolg, den die Stars
haben,
geht den
Nichtstars ab, es gibt dann nicht mehr eine
Szene von Volksliedsängern, sondern es gibt dann den
Volksliedsänger."
In einem im gleichen Jahr veröffentlichten Artikel
merkt Lassahn
an, daß das Folk-Revival in Deutschland ähnlichen
Abgrenzungswünschen unterliegt wie die antibürgerliche
Bewegung
der 60er. Er konfrontiert den "Volkssänger" Hannes Wader
mit
dem "Volkssänger" Heino, um sarkastisch
festzustellen, daß
Heinos Publikum tatsächlich vorwiegend proletarisch sei, die
Anhänger
Waders aber einem kleinbürgerlichen Milieu entstammten .
Es tun sich in der Frage nach dem neuen
"Volkssänger" verschiedene
Paradoxa auf: zunächst führt das Abgrenzungsbedürfnis
des
Folk-Revivals gegen die kommerzielle "Volksmusik" à la Heino
auch zu einer Abgrenzung gegen das "Volk" (für Lassahn: die
Proletarier), zum anderen herrscht unter den betreffenden Sängern
eine gewisse "Proletariophilie" (Stählin); schon auf der Waldeck
hatte sich gezeigt, daß der Wille, "proletarisch" zu sein zwar
hehres Ideal war, indes aber die Begegnung mit dem Proletariat selber
kaum möglich war. Fritz Rumler beschreibt das paradoxe
Verhältnis
im treffenden Bild: "[...] das Phantom Arbeiter umwerben sie wie
eine frigide Geliebte" .
AG Song und "zweite Szene"
Die AG Song (AGS) ist ein 1973 gegründeter
Liedermacherzusammenschluß
mit quasi gewerkschaftlicher Zielsetzung. Sie soll der
gemeinsamen Fortbildung, der Kommunikation und der Interessenvertretung
der Öffentlichkeit, den Medien und den Veranstaltern
gegenüber dienen (eine detaillierte Darstellung der AG Song siehe
Punkt 3.2.3.).
Sie ist kreatives Sammelbecken und Begegnungsstätte für bis
zu 1200 Liedermacher. Außerdem ein bedeutendes
Debütantenforum:
auf
jedem Treffen drängen sich in der AGS zahlreiche Neulinge an die
Öffentlichkeit, um sich zu profilieren. Darüberhinaus bietet
sie,
besonders auf ihren regelmäßigen Arbeitstreffen, ein
überaus
großes Programm an Workshops, Diskussionen und Fortbildungen
an.
Bei der Untersuchung der AGS-Workshopprotokolle, der Dokumentationen
und sonstigen Veröffentlichungen fällt auf, daß sich
relativ
selten Sänger aus der Waldeck-Ära an der Arbeit beteiligen
(außer anfänglich Stählin und Hüsch). Die
bekannteren
Liedermacher
konzentrieren sich zumeist vollständig auf ihre eigenen Wege und
sind durch größere Bekanntheit der Sorge um ihr Einkommen
ledig.
Die AG Song dagegen wird dominiert von unbekannteren Liedermachern,
die teilweise heftig um ihren Lebensunterhalt ringen müssen. So
ist an der AG Song eine Spaltung der Liedermacherszene zu beobachten,
oder vielmehr das Entstehen einer völlig neuen, von der
kleinen, bereits seit den 60ern etablierten Gruppe getrennten
Liedszene.
Zensur
Wenn wir geneigt sind, anzunehmen, es habe in der
Bundesrepublik mit
ihrer immer beschworenen, grundgesetzlich garantierten
Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit keinerlei Zensur gegeben, so
unterliegen
wir einem fatalen Irrtum.
Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (den privaten
Rundfunk können wir im Blick auf die 60er und 70er Jahre
ausklammern) stattet die großen Sendeanstalten von politischer
Seite mit "amtlichen" Vollmachten aus; sie sind "Anstalten
öffentlichen
Rechts" und unterliegen damit staatlicher Aufsicht, Förderung
und Regelung . Eingriffe in Sendungen satirisch-kritischer Art sind
aufgrund dieser staatlichen Komponente immer auch Geschwister
politischer
Zensur. Die Kabarettistin Hannelore Kaub spricht 1967
bereits statt von Zensurmaßnahmen "von oben" von den "kleinen
grauen Männchen", die an den entscheidenden Stellen für
freiwillige
Zensur sorgen. Gemeint sind diejenigen Redakteure und Abteilungsleiter,
die im vorauseilenden Gehorsam fortgesetzte Selbstzensur
üben. Nicht nur der Rundfunk, auch politische und
Verwaltungsorganisationen,
und in einem Fall sogar der Deutsche
Gewerkschaftsbund beteiligen sich an Maßnahmen gegen
Kabarettisten.
In den meisten Fällen wird hier die Ausstrahlung bereits
vertraglich vereinbarter Sendungen, oft sogar fertiggestellter
Sendungen,
unterbunden.
Die Liste solcher Zensurmaßnahmen ist lang und
hier nur ausschnittsweise
wiedergegeben :
1965: Der NDR streicht eine
Produktion der
Kabarettsendung "Hallo Nachbarn", ein anderes Mal kürzt er sie
unangekündigt
um
30 Minuten.
1966: Wolfgang Neuss wird in
der Folge einer
Anzeigenaktion gegen Proamerikanische Berichterstattung über den
Vietnamkrieg
von allen Berliner Zeitungen
boykottiert.
1967: Eine Nummer des Rockkabaretts "Floh
de Cologne", das auch in der Liedermacherszene
außerordentlich beliebt
ist, wird
aus einer Aufzeichnung der Essener Kabarettage
herausgeschnitten.
1968: Der WDR setzt einen Vertrag mit "Floh
de Cologne" nachträglich ab. Der Hessische Rundfunk
verlangt erstmals
die
vorherige Vorlage von Volker Kühns
Kabarettsendung
"Bis zur letzten Frequenz" über den Höhepunkt der
Studentenunruhen.
Als
Kühn ablehnt, wird die Sendung
abgesetzt.
1970: Radio Bremen kündigt
nachträglich
einen Vertrag mit "Floh de Cologne"
1971: WDR-Programmdirektor Peter Scholl-Latour
streicht eine fertige Sendung mit "Floh de Cologne",
WDR-Fernsehdirektor
Werner Höfer streicht eine geplante
Produktion.
Die Autoren der SDR-Kabarettsendung "Heiße Sache" (u.a. Hüsch,
Kaub,
Kühn, Neuss und Süverkrüp)
kündigen ihre Mitarbeit nach der Entfernung ihres zuständigen
Redakteurs von der Sendung mit
dem Hinweis auf Zensurmaßnahmen.
1974: "Floh de Cologne" wird
trotz Vertrag
von den "Jugendtagen der Stadt Frechen" wieder ausgeladen
1975: Dietrich Kittner wird
trotz Vertrag
in Stade ausgeladen. Die Bezüge für sein Theater werden auf
Intervention
der CDU im
nds. Landtag gekürzt und 1979 ganz
gestrichen.
Sein Protestgesang vor dem Ministerium wird heimlich mitgeschnitten.
Die
Stadt Passau verbietet die Aufführung
eines Stückes von Siegfried Zimmerscheid.
1977: Julian Beck wird wegen
"Verunglimpfung
des Staates" auf dem Münchner Theaterfestival verhaftet.
1978: Der NDR streicht Degenhardts
"Befragung
eines Kriegsdienstverweigerers" aus einer Sendung. Der DGB setzt sich
gegen
die Songgruppe "Schmetterlinge"
ein; der SFB
sagt daraufhin eine vereinbarte Sendung ab.
1979: Der WDR untersagt Wolf Biermann einen
Auftritt in seiner Jugendsendung (Biermann: "Ich fühle mich schon
ganz wie zu
Hause") . Der SDR streicht die Sendung
"Prüfe
deinen Nächsten wie dich selbst" nach der Fertigstellung. Henning
Venske wird
als Autor einer Kabarettsendung im Hessischen
Rundfunk wegen "Überschreitung des Freiraums für Satire"
seines
Postens
enthoben. Das ZDF streicht unabgesprochen
Teile aus einem Programm von Gerhard Polt. Dieter Hildebrands
satirisches
Magazin "Notizen aus der Provinz" wird vom
ZDF abgesetzt.
1980: Das ZDF schneidet einen Biermann-Song
über Carl Carstens weg.
1986: Der Bayrische Rundfunk untersagt die
Sendung von Christof Stählins Programm "Liebt denn
keiner die Bundesrepublik?"
aus der Münchner Lach- und
Schießgesellschaft
wegen einer angeblich missverständlichen Äußerung
.
Dies sind, wie gesagt, nur die bekanntesten Fälle.
Es kann mit
einer hohen Dunkelziffer gerechnet werden.
Die Liedermacherszene nimmt an diesen Skandalen intensiv teil; "Floh
de Cologne", die am häufigsten zensurierte Gruppe, ist in
Liedermacherkreisen bekannt und beliebt. Die Erfahrungen von Degenhardt,
Biermann, Süverkrüp, Hüsch, Kittner und Stählin
werden
in der Szene diskutiert. Konstantin Wecker erkennt
1978:
"Man merkt mit der Zeit,
dass eine nie
ausgesprochene Zensur einfach da ist. Man spürt auch, dass man
eine gewisse
Alibi-Funktion erfüllt. [...] Unsere
ganz subtile Form des Wegs zum Faschismus funktioniert über die
Medien
[...]"
Eine weitere schwierige Rolle nimmt der Radikalenerlass
ein, nach
dem es möglich wird, kommunistisch aktive Beamte und Angestellte
im öffentlichen Dienst zu entlassen bzw. gar nicht einzustellen.
Die Reaktionen der Szene darauf sind vielfältig, da sie zu einem
Großteil aus potenziell oder tatsächlich Betroffenen
besteht.
Randerscheinungen
Ein (links-) politischer Liedermacher ist in den 70er
Jahren für
viele "ein tautologischer Doppelmoppel" (Biermann) . Die SPD und die
DKP beginnen, sich zu Werbe- und Selbstdarstellungszwecken der
Liedermacher
zu bedienen . 1978 entdeckt man auch in den Reihen
der CDU die Wirksamkeit von Liedemachern und beginnt, Gerd
Knesel als
politischen Widerpart aufzubauen. Die Texte schreibt
Hubertus Scheurer, Knesel vertont sie "liedermachertypisch" mit der
Gitarre, tritt auf mehreren CDU-Wahlveranstaltungen auf und
produziert eine eigene Platte ("Das
geht uns alle an"). Die Texte sind
voller Spitzen gegen linke Liedermacher und linke Politik. An
Knesel entzündet sich eine heftige Diskussion in den Reihen der
Szene. Die Provokation ist gelungen, die Auseinandersetzung verpufft.
Es bleibt beim Klarmachen von Standpunkten. Während die einen
heftig gegen Knesel agitieren (etwa Hans Scheibner)
und andere
raten, ihn einfach zu ignorieren, spotten Knesel und Scheurer wirksam
zurück. Knesel bekommt mehrere Fernsehauftritte, auf denen
er, anders als seine linken Kollegen, ungehindert seinen Standpunkt
propagieren darf:
"Leute lasst Euch nicht
verschaukeln,
Schützt unsere Industrie
Und die jungen Sozialisten
Legt sie übers Knie"
Obwohl die Linke dem rechten Liedersänger kaum
etwas entgegenzusetzen
hat, als dass er "rechts" sei, löst sich das Problem von selbst.
Knesel
verschwindet Anfang der 80er völlig von der Bildfläche.
Zersplitterung und Individuation
Der Spaltungsprozeß geht im Verlauf der
späten 70er Jahre
auch bis in die AG Song hinein. Das Liedermachen verbreitet sich in
dieser
Zeit schnell nicht nur als professionelle Szene, sondern auch als
breite
Hobbybewegung, so daß die AG Song den Ansturm immer
neuer Liedermacher nicht mehr auffangen kann. Es kommt zu einem
partiellen
Qualitätsverfall (siehe Punkte 2.5. und 3.2.3.), der viele
Mitglieder dazu bewegt, sich nicht mehr als "Liedermacher" zu
bezeichnen.
Hinter dem Verfall des Wortes steht der Verfall von Qualität
und Zusammenhalt. Trotzdem beginnt eine selbstkritische
Qualitätsdebatte
erst in den 80er Jahren. Bis dahin hält man an dem
Gedanken fest, Liedermachen sei eine Form der "Kultur für alle"
und letztlich "von allen" (siehe Punkt 3.3.4.1.).
Die Szene ist bereits in den 70er Jahren extrem
heterogen, was die unterschiedlichen
Zugänge (Hobby-, semiprofessioneller,
professioneller Bereich), die verschiedenen Stile (Folk-Revival,
Chanson,
Song etc.) und die differierenden ideologischen
Selbstverständnisse angeht (nur-politische über auch-privat
und auch-politische bis unpolitische). Diese Situation ist beides
zugleich:
die
produktive Leistung einer heterogenen kreativen Szene und eine
"künstlerische
Diaspora" zahlreicher künstlerischer Individuen mit
großem Abgrenzungsbedürfnis.
Die Folk- und Liedermacherszene wird intensiv beobachtet. Alle
gemachten
Beobachtungen spiegeln das Nebeneinander verschiedener
Ansätze wider. Während Barbara James eine allgemeine
Politisierung
feststellt (siehe oben), diagnostizieren Kritiker wie Günter
Schenk
Verflachung und Entpolitisierung . Während die AG Song bereits
regelmäßige Treffen abhält, kritisiert Bernhard
Lassahn,
es sei bisher
keine "gemeinsame Interessenvertretung" zustandegekommen. Empathische
Szenebeobachter wie Thomas Rothschild ("eine
mittlerweile aus dem Kulturleben nicht mehr wegzudenkende Gattung"
) und selbsternannte Szene-Entlarver wie Reginald Rudorf
("Schach der Show") verzerren und erhellen das Bild
gleichermaßen.
3. Die 80er Jahre - Aktivität und Krise
Innere und äußere Aktivität
Bis etwa Mitte der 80er Jahre setzt sich die
große Aktivität
der Liedermacherszene auf allen Bereichen fort. In den Kreisen der AG
Song finden weiterhin jedes Jahr große Arbeitstreffen statt,
auf denen der selbstgesteckte Anspruch, Kommunikation und Fortbildung
zu fördern, vorangetrieben wird.
Eine Reihe von Publikationen zur Liedermacherszene erscheint, in denen
immer häufiger die Qualitätsfrage gestellt wird.
Zahlreiche Wettbewerbe für junge
Nachwuchskünstler erleben
in den 80ern eine Blüte; fast jede größere Stadt
veranstaltet
solche Foren
mit dem Ziel, Jugendliche in ihrer Ausdrucksfähigkeit und
künstlerischen
Betätigung zu fördern. Daneben werden die ersten
größeren
Versuche gemacht, Liedermacher und Liedermachen in Schulen zu behandeln
(Siehe Punkt 3.4.), Liedermacher werden in der Kirche
aktiv und organisieren sich (Siehe Punkt 3.2.4. und 3.2.5.5.).
Selbstreflektion und Selbstmitleid
In dieser Zeit ist eindeutig ein starker Anstieg der
Selbstreflektion
besonders in den Reihen der AG Song zu erkennen. Zu Beginn der
80er Jahre beginnt in der Popularmusikszene eine bis in die Mitte des
Jahrzehnts hinein kommerziell ausgesprochen wirksame
Aufwertung deutscher Musik: die "Neue Deutsche Welle" .
Diese wiederum
ist der Boden für einige Künstler, die sich zunächst
auch
"Liedermacher" nennen, die ihre Erfolgsplattform aber in der Neuen
Deutschen Welle haben: Heinz-Rudolf Kunze, Ulla Meinecke, Herbert
Grönemeyer, Klaus Lage u.a. Zwischen diesen erfolgreichen
neuen und den etablierten Liedermachern aus den 60er und 70er
Jahren "hängt" die "AGS-Szene" fest. Die Liedermacher aus ihrem
Umfeld erleiden seit Beginn er 80er Jahre tief greifende
Publikumsrückgänge und bekommen immer mehr Schwierigkeiten,
sich finanziell, thematisch und künstlerisch zu behaupten. Auch
sinkt angesichts der Neuen deutschen Welle das Interesse der Medien
und Plattenfirmen an den "alten" Kräften rapide ab. Besonders in
den Kreisen der AG Song beginnt ein "lähmendes
Selbstmitleid"
Fuß zu fassen, bei dem sich Liedermacher als Opfer
veränderter kultureller und gesellschaftlicher Bedingungen sehen
(siehe genauer unter Punkt 3.2.3.).
Publikumsverlust und Sinnsuche
Es kommt immer wieder ein ausgesprochen problematisches
Verhältnis
vieler Liedermacher zur Öffentlichkeit zum Ausdruck. Immer
noch sehen sich die Künstler am liebsten in der Tradition
studentenbewegter,
linker Gegenkultur. Es wird gar behauptet, Kultur
überhaupt sei nur als Gegenposition zu verstehen . Trotzdem wird
immer wieder eine größere Medienpräsenz und bessere
finanzielle
Absicherung der Liedermacher gefordert. Die Kräfte, die das
verhindern,
werden bei irgendwelchen dunklen Hintermännern und einer
"Kultur-Mafia" gesucht . Mahnende Worte wie etwa die von Ekkes Frank,
die auf den Widerspruch zwischen gegenkulturellem
Konzept und medialer Präsenz hinweisen, finden kaum
Gehör:
"[...] wir müssten
uns fragen, was
wir falsch machen, wenn die uns nicht so behandeln würden! [...]
Das,
was wir
machen, gehört einer Kultur an [...]
die diese Art von Kultur, die in diesem Land bestimmt, gegen uns
aufbringen
muss."
Die Liedermacher verlieren Publikum. Die Selbstreferenz
einer auf sich
selbst zurückgeworfenen Szene beschreibt Kollege Aragorn
Gatter treffend in einem Grundsatzartikel anläßlich des
23. Bundestreffens der AG Song in Essen (1984):
"In einem sind sich
Vertreter aller genannten
Gruppen einig: 'Liedermacher' will sich kaum ein Urheber von
Text/Musik-Kunst mehr nennen oder nennen
lassen.
Jede zweite Wortmeldung auf dem Essener Plenum begann daher
mit dem Hinweis, dass man eigentlich
nicht dazu gehöre. [...] Mangels einer solidarischen Bezugsgruppe,
deren
Sprachrohr sie sein könnten, definieren
sich neuerdings die Liedermacher selbst als bemitleidenswerte
Minderheit,
als
unterdrückte Klasse, der sie einzeln
zu entkommen trachten."
Gatter möchte dann aber auch nicht die ganze
Schuld an der Liedermachermisere
auf gesellschaftlichen Wandel abgewälzt sehen. Die
Schuld läge bei den Liedermachern selber, die vielfach nicht in
der Lage seien, geeignet auf diese Veränderungen zu reagieren und
sich
vielmehr auf Inseln der Privatheit zurückzögen, die nur noch
denen zugänglich seien, die ähnliche Erfahrungen gemacht
hätten.
Der Drang an die Öffentlichkeit bleibt dabei
bestehen. Die Liedermachertreffen
der AG Song werden immer mehr vom
Profilierungswunsch vieler einzelner Liedermacher geprägt; der
Vorsitzende Stefan Rögner bezeichnet die Zeit insgesamt als
"Durststrecke" .
Krise
Das Jahr 1986 markiert in vielerlei Hinsicht ein
Schlüsseljahr. Anläßlich der Reaktorkatastrophe in
Tschernobyl erklärt Dieter Süverkrüp, er
werde nicht mehr als Liedermacher auftreten.
Das
persönliche Liedschaffen und die Möglichkeit, mit Liedern
etwas zu bewirken, sei durch eine Katastrophe dieses Ausmaßes
geradezu
ad absurdum geführt worden .
Die Liedermacher selber bekommen Schelte aus berufenem
Munde. Wolfgang
Neuss, der ungekrönte König des
bundesrepublika-
nischen Kabaretts und als "Mann mit der Pauke" auch
Vorbild früher Liedermacher (Schwendter), setzt in der taz eine
folgenschwere Polemik gegen seine Kollegen ab:
"In unseren Breitengraden
ist Liedermachen
eine Ausrede für keinen Witz haben, keinen Esprit verbreiten,
blöde
sein, stur
sein, Rhythmus halten, Ideologie nicht
verplanschen
[...] Im Grunde, grad Pfingsten fiel es mir wieder auf, sind vor
allem die deutschzungigen Liedermacher
Totalversager,
eine brachliegende Marktlücke für gepfefferten Witz und
hinterfotzige Melodie. [...] Was soll man
von 1986iger Liedermachern erwarten, die schon in der APO Zeit
vermieden,
witzig zu sein, Humor zu verstrahlen, die
von Walther von der Vogelweide nie weggekommen sind und ihr "Haupt voll
Blut und Wunden" zwitschern müssen?"
Anlass ist auch hier der Reaktorunfall in der UdSSR,
auf den nach
Neuss' Ansicht nicht richtig reagiert wurde. Dafür reagiert die
Szene
umso heftiger auf Neuss' Vorwürfe. Das einschlägige
Musikblatt
erhält zahlreiche Zuschriften, in denen sich Liedermacher
verteidigen.
Das Spektrum reicht vom empörten Protest über ironische
Selbstdarstellungen
bis hin zu offensichtlich ernst gemeinten
"Gegenbeweisen":
"[...] hätte die TAZ
[...] mein beiliegendes
Lied 'Neue Schnüffelgesetze' im April d. J. abgedruckt und nicht
zurückgewiesen, wer weiß, der Neuss
hätte seinen Artikel nicht geschrieben..."
Doch auch ein Artikel unter der Überschrift "Ich
war Liedermacher"
spricht eine deutliche Sprache.
1986, über 20 Jahre nach den ersten
Waldeck-Treffs, werden Liedermacher
in der Öffentlichkeit und von wissenschaftlicher Seite
kaum noch unverzerrt wahrgenommen. Günther Mayr etwa
veröffentlicht
in diesem Jahr eine Studie über "politische Aspekte in den
Texten deutscher Liedermacher" , die zu dem interessanten Schluss
kommt, dass es damit nicht weit her sei. Seine
Untersuchungsgrundlage zeigt deutlich die Fehlinterpretation der Gruppe
"Liedermacher". Zur Bewertung zieht er nur diejenigern heran,
die unter seine persönliche, nicht ausgeführte Definition
"Liedermacher" fallen und dabei mindestens eine LP unter den 50
best verkauften eines Jahres in Deutschland hatten: Bap, P.
Cornelius,
G. Danzer, DAF, Nina Hagen, Ideal, U. Lindenberg, R. Mey, M.
Müller- Westernhagen, Spider Murphy Gang. Eine solche
Fehlleistung
eines renommierten Publizisten kann nur auf einem allgemeinen
Profilverlust der Liedermacher beruhen. Die Öffentlichkeit scheint
zwar viele "Liedermacher" zu kennen, aber kaum zu wissen, was ein
"Liedermacher" ist und welches Konzept er verfolgt.
Bis zum Ende der Jahrzehnts nimmt die Intensität
der AG-Song-Arbeit
stetig ab. 1986 kommt kein Treffen zustande, erst wieder 1988,
und schließlich 1994. Es scheint, als hätte die
Liedermacherszene
neben ihrer öffentlichen Anerkennung und der Publikumsgunst auch
ihre eigene Kraft verloren.
4. Heutige Situation
Die Hauptauswirkung der Krise der Liedermacher ist eine
immense Verkleinerung
der Szene. Sehr viele Liedermacher orientieren sich
um, gehen in Berufe und hören auf, öffentlich zu singen.
Nur ein sehr kleiner Teil der AG Song-Liedermacher kann heute noch
hauptberuflich von Kleinkunst leben. Die Konkurrenz hat sich aber eher
verschärft. Sehr viele von den Folkclubs der 70er Jahre sind
eingegangen oder haben sich kommerzialisiert. Dadurch kommt es zu einer
Konzentration auf den jeweiligen Publikumsgeschmack.
Die Kulturetats von Städten und Gemeinden verschlechtern die
Auftrittsmöglichkeiten
genauso. Die Verpflichtung, Kosten deckend zu
arbeiten führt dazu, dass in subventionierten Kultureinrichtungen
weniger Konzerte, dafür aber mit bekannteren Namen veranstaltet
werden.
Die meisten noch aktiven Liedermacher helfen sich,
indem sie Nischen
im Kulturbetrieb beziehen, in denen sie sich notdürftig
einrichten können (Literaturprogramme, literarisches Kabarett,
Schriftstellerei, Dialektprogramme).
Dennoch: das derzeitige "Marktverhalten" des Publikums
schließt
eine Renaissance der Liedermacher unter bestimmten Bedingungen
nicht aus: anspruchsvolle Texte (auch) politischen Inhalts werden
weiterhin
akzeptiert (siehe etwa die ungebrochene Popularität von Herbert
Grönemeyer und Heinz-Rudolf
Kunze), deutsche Texte werden,
entgegen aller Unkenrufe, auch und besonders von der
jüngeren Generation akzeptiert und konsumiert (Gruppen wie "Die
Fantastischen Vier", "Die Prinzen" und "Pur"
fahren Höchstgewinne
bei großen Plattenfirmen ein, füllen große Hallen
und sind in den Medien quasi omnipräsent). Auch schwappt seit
Jahren eine
gewinnträchtige "Unplugged"-Welle durch den Musikmarkt, die
akustische
Musik repopularisiert.
Die Sorge, der aktuelle kommerzielle Musikmarkt zerstöre jegliche
Chance auf eine Wiederkunft des "handgemachten" Chansons, ist
also nur zum Teil begründet. Dennoch bestehen weiterhin einige
Bedingungen, um "Liedermacher", Chanson, Texte mit Anspruch
und akustischer Minimalform wieder populär zu machen.
Es sollte intensiv nach den Gründen für die Modehaftigkeit
der "Liedermacher-Bewegung" einerseits gesucht, andererseits versucht
werden, die auf Dauer abstoßenden Elemente der früheren
Kunstauffassung und Kunstausübung durch gezielte Fortbildung zu
entziehen. Dabei können die bisher gemachten Erfahrungen mit
Bildungsmaßnahmen
wichtig sein.
Gerade auf dieser Ebene bewegt sich in diesen Tagen
einiges. Der bundesweit
agierende Verein Profolk gründet am 16.2.1996 einen
Arbeitskreis Lied/Chanson, in dem zusammen mit großen
Verbänden
wie dem Deutschen Musikrat und dem Rundfunk zusammen nach
neuen Möglichkeiten für das Lied gesucht werden soll. Auch
innerhalb der AG Song herrschen derzeit Bestrebungen, sich neu zu
organisieren und wieder präsenter zu werden .
Daneben arbeitet Christof Stählin in seiner Nachwuchsschule SAGO
seit Jahren erfolgreich mit jungen Künstlern aus der ganzen
Bundesrepublik.
Auch startet das rheinland-pfälzische Ministerium für Kultur
derzeit ein Pilotprojekt, in dem junge Talente gerade auf dem Gebiet
Lied/Chanson gefördert werden sollen.
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