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"Die
heiteren Spiele" sollten es werden - so wünschte es sich Willi
Daume,
damals Präsident
des NOK
und
des Organisationskomitees für die
Olympischen
Sommerspiele
1972 in Mün-
chen. Heitere
Spiele,
die der Welt ein neues
Deutschland
zeigen sollten,
ein unbeschwertes,
fröhliches
Land, weltoffen und gastfreundlich. Popklänge
von der Kurt - Edelhagen -Band statt
Marschmusik, bunte
Kleidung statt grauer (oder gar brauner) Uniformen, geplantes Durchein -
ander statt sturer
deutscher Disziplin - ohne die für ein
solches
Ereignis
notwendigen "deut-
schen Tugenden"
wie Pünktlichkeit,
Zuverlässigkeit, Effizienz zu
vergessen. Die Eröffnungs-
feier (Ausschnitt aus der Reportage von
Werner
Schneider, MP 3) wurde diesem Konzept voll
gerecht: Sie war heiter, gelöst, frei von allem
Bombastischen - und lief trotzdem reibungslos
ab.
Es waren ja auch alle Voraussetzungen
für ein
großes Völkerfest da: Das aufregende Sta-
diongelände
mit dem damals sensationellen
Zeltdach,
das herrliche Wetter, die
glänzenden
sportlichen
Leistungen, ein Megastar
wie Mark
Spitz,
der die Menschen elektrisierte, ein Pub-
likum, das in seiner
Fachkunde, seiner
Begeisterungsfähigkeit und seiner absoluten Fairness
(ich erinnere mich mit einem leichten Schauer
an die Jubelwoge, in der der Ugander John Akii-
Bua
nach seinem Triumph
über
400
m Hürden badete) seinesgleichen suchte - alle Vorausset-
zungen
dafür, dass "München
1972"
die schönsten Olympischen Spiele aller Zeiten
beherber-
gen
würde, waren gegeben,
bis
...
.. ja, bis das Unbegreifliche geschah, der jähe Einbruch
brutaler
Weltpolitik in
die scheinbar
heile
Welt des Sports. Mit München 1972 hat der Sport
endgültig
seine
Unschuld
verloren,
danach
war nichts mehr wie vorher. Das Attentat
auf
die israelische Mannschaft traf
alle
völlig
unvorbereitet - die Beendigung der Geiselnahme war ein Waterloo
deutscher
Polizei-
arbeit. Das Blutbad
von Fürstenfeldbruck ist mit München 1972
unlösbar
verbunden.
Im
kollektiven
Bewusstsein
der Menschen, die in irgendeiner Weise mit Sport zu tun haben, sind
diese Olympischen
Spiele
nicht als die "heiteren", sondern als die blutigen gespeichert.
Und
trotzdem war da noch anderes,
sind da persönliche Erinnerungen, bleiben Bilder - auf
Dias,
in Zeit-
schriften, in Büchern und vor allem
in meinem Kopf.
Da sind gewiss auch die
Bilder von
jenem Tag, an dem ein Gerücht das andere ablöste, von
dem
Abend,an
dem wir noch hofften, und von dem Morgen, an dem die
niederschmetternde
Wahrheit durchsickerte - aber
da schieben sich immer mehr andere
Bilder davor: Erinnerungen an die Monate vorher, an die Tage
der
Auswahl für
das
Sprecherteam,
an die Schulungen in München mit damals berühmten
Fernsehleuten,
an die
Einführung in die Stadiontechnik, an die
Mikrofonproben
mit "Blacky" Fuchsberger, der in der Sprecherkabine
im Olympiastadion erst
einmal eine Runde "4711" ausgab,[wofür er damals
Fernsehwerbung
machte,
was ihm
ein Jahr frei Duften einbrachte...] - danach stank besagte
Kabine
allerdings wie ein orientalisches Bordell (also
jedenfalls so, wie ich
mir ein solches Institut vorstellte, damals...).
Da ist die Erinnerung
an meinen
ersten Hubschrauberflug - zusammen
mit
Sir Stanley Rous, dem FIFA-
Präsidenten, zur Inspektion der einzelnen
Spielorte des Olympischen Fußballturniers: Ingolstadt,
Regensburg,
Passau. Zwischendurch wurde mir auf dem Flug immer mal wieder
schlecht,
aber das konnte ich
natürlich nicht
zugeben, wenn
ich den alten Herrn neben mir ansah, der alles mit stoischer Ruhe über sich ergehen
ließ - ein
Brite eben, ein Gentleman, wie er britischer kaum sein
konnte.
Und da sind auch noch
andere
Erinnerungen, unmittelbare und vermittelte. Vermittelt, weil nicht von
mir selbst
erlebt, ist die Erinnerung daran, dass München 1972 immerhin
dem schwedischen Thronfolger Carl Gustav die Frau
seines Lebens
geschenkt
hat: Königin Silvia war damals, als sie noch Silvia Sommerlatt
hieß,
eine der Hostessen
bei den Spielen (das war damals etwas durch und durch
Anständiges...) - so wie übrigens auch meine
Schwester
Roswitha,
die freilich in der ihr eigenen politischen und moralischen Konsequenz
am Tag nach dem Attentat abreiste,
weil sie es unerträglich fand,
was IOC-Präsident Avery
Brundage [Spitzname: Average Brandy] am
Tag
der
Trauerfeier für die Opfer des Attentats gefordert hatte: "The
Games must go on!"
Mussten sie wirklich?
Sie gingen weiter, wie man
weiß,
aber es waren andere Spiele. Vorbei die beschwingte Freude eines
Weltfestes,
vorbei der unbeschwerte
Jubel über große sportliche Leistungen,
vorbei der Traum von dem freundschaftlichen
Treffen von jungen und älteren
Menschen aus allen vier Ecken der Welt, vorbei die Hoffnung auf -
zumindest
vorübergehenden - Frieden. Das Gespenst künftiger Olympischer
Spiele im Hochsicherheitstrakt ging um - und für
die
Pessimisten
war der Gedanke des alten Barons de Coubertin bereits auf die
Müllhalde
der Geschichte verbannt.
Die Optimisten haben Recht
behalten.
Es ging weiter, zunächst unter schweren politischen
Boykott-Belastungen
in Moskau und Los Angeles, es gab auch den
Sündenfall der
unglaublich
chauvinistischen Coca-Cola-Spiele
von
Atlanta - aber da war eben auch die großartige
Wiederauferstehung
des olympischen Gedankens - in veränderter
Gestalt natürlich,
weit weg vom Amateursport - bei den unvergesslichen Spielen von Sydney.
Die
herrlichen Bilder
aus "Down
Under" haben
die frohen Erinnerungen an München wieder geweckt - und
vieles ist mir
wieder
eingefallen:
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