Ginsberg:„ Die letzte Stunde kommt
näher.“
NRZ:
„Angst ?“
Ginsberg:
»Warum sollte ich? Man kann
nicht fürchten, was sicher ist. Ich bin
Buddhist, das hilft.“
NRZ: »Was
erwarten Sie? Früher
suchten Sie das Paradies in psyche-
delischen Visionen.“
Ginsberg:
»Längst drangegeben. Je-
de Suche endete in der Hölle. Sich an
nichts klammern, ist meine heutige
Devise. Ich lebe mein Leben.“
NRZ:
„Klingt weise. Da sind Sie kei-
ne Gefahr mehr fürs Establishment.“
Ginsberg:
„Für diese Typen immer.
Ich werde von allen US-Medien zen-
siert, sogar im Internet.Weil man die
Kinder schützen müsse. Sie haben
Michelangelos David, sowie Catull,
Petronius, Jean Genet und Henry
Miller aus dem Netz genommen.
Auch mein Rap ‘Non fumar‘ wird
boykottiert, weil ich jungen Leuten
zum Cunnilingus anstatt zur Zigaret-
te rate. Wovor muß man sie schüt-
zen – vor dem Lungenkrebs oder
der Liebe?“
„Ich sah
die besten Geister mei-
ner
Generation in Wahnsinn
enden“
(aus:„ Howl. . .“)
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NRZ: „Ginsberg als
Rapper. Sie tre-
ten auch mit dem Komponisten Philip
Glass und Patti Smith auf.“
Ginsberg:
„Poesie ist heute weiter
verbreitet denn je - die junge Gene-
ration erfährt sie über die der Songs.
Auch beim Rap. Der Rhythmus ist
das wichtigste von allem. Das Eins-
werden von Wort, Musik, Tanz hat
es immer gegeben, vom griechischen
Chor bis zu den schwarzen Blues-
Musikern.“
Wild und links - ein Bild aus
Bürgerschreckzeiten.
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NRZ: „Trotz der Zensur glauben Sie
weiterhin
an die Freiheit des Worts ?“
Ginsberg:.
»Nur zwei Dinge werden die
Menschen immer tun: bumsen und reden.
Und da man vor der Liebe miteinander reden
muß, rettet sich das Wort. Es wird Wasser
und fließt zwischen den Steinen der Macht
durch.“
NRZ:
„Und die Poesie?“
Ginsberg:
»Auch sie. rettet sich. Vier
Dinge sind die Basis in jedem Menschen-
leben: Körper, Emotionen, Geist und Träume.
Ohne Träume überlebt man nicht, das ist
sogar wissenschaftlich erwiesen. Die
Menschheit braucht Traumbilder wies
Wasser.“
NRZ:
„Früher träumten Sie von einer
besseren Welt.“
Ginsberg:
»Erwartungen, die überall zurückgeschraubt wurden. Die
Gesellschaft ist heute weniger gefragt
„Es
genügt nicht zu sagen die
Bombe wird fallen,
zu
behaupten das Feuer wird ausgehen, wißt, daß die Erde
die Bombe madonnen wird“
(aus Howl.. ")
als das Spirituelle. Man träumt von
Zuneigung
und Zärtlichkeit, möchte wohlgelitten sein.“
NRZ« „Aus dem Beatnik wurde ein
Buddhist.“
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Ginsberg: »Was den Buddhismus
auszeichnet,
ist seine Toleranz und Offenheit. Er hat keine Päpste, Rab-biner, Ayatollahs wie die monotheistischen Religionen, die
gegen die Befreiung der Sexualität und Gays sind.“
NRZ:
„Prominente italienische Altertums-
forscher erklären sich zu Heiden.
Die offizielle Religionsvielfalt der
rö-
mischen Antike sei fortschrittlicher
gewesen als die Intoleranz monothe-
istischer Religionen, sagen sie.“
Ginsberg:
»Alle Fundamentalismen,
auch die Hitlers, Stalins, Maos, stüt-
zen ihre Autorität auf eine allein se-
ligmachende Wahrheit.“
NRZ: „Am
3. Juni ist der Uni-Profes-
sor Ginsberg 70 Jahre alt geworden.“
Ginsberg:
»Ich habe viel geliebt, ge-
lebt, geschrieben und keinerlei Ge-
wissensbisse. Die Best-Kultur pro-
„Und ich
bin der König des Mai
weil ich
einen Finger hob um
ein
dickes strahlendes Mädchen
zu
grüßen..."
(aus:
„Kral Majales“)
testierte immer für etwas - offen, be-
geistert, ohne Kalkül. Als Pazifisten
standen wir zwischen zwei Feuern.
Die Marxisten hielten Rock und Blues
für ein kapitalistisches Komplott -ei-
ne Droge gegen die Jugend. Die Beat-
les wären gerne nach Kuba
gegangen,
aber Castro wollte sie nicht, weil er
sie
als ideologielos einstufte. Gleichzeitig
wurden sie jedoch in den Staaten des Kommunismus bezichtigt. Ihr
einziger
Tort war: Sie machten den jungen
Leuten Freude.“.
NRZ:
„Brennt diese Begeisterung noch?“
Ginsberg:
»Die Zensur in den Medien
ist stark und die Jugend unfreier als
in den 60er Jahren. Dennoch herrscht
eine Aufbruchstimmung wie damals.
Nur so ist es zu erklären, daß
Clinton
jetzt wieder an Boden gewonnen hat.
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