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Trendwende in der Musik setzt sich fort: Man kann deutsch singen und trotzdem (?) Erfolg haben...


Der lange Weg ins Ich: Interview mit Xavier Naidoo (© NRZ 2.12.05)
Xavier Naidoo: "In uns schlummert viel Verborgenes"

"Dieser Weg" ist genau der Richtige für ihn: Offensiver und nicht mehr so balladenzahm: Xavier Naidoo mit neuem Album "Telegramm für X" auf Tour. Denn Xavier Naidoos gleichnamige Single vom neuen Album "Telegramm für X" tummelt sich wieder ganz oben in den Charts. Steffen Rüth hat den Sänger getroffen.


Bilder von Xavier Naidoo

© Foto: dpa

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Xavier, dein neues Album heißt "Telegramm für X". Wissen die Hörer überhaupt noch, was ein Telegramm ist? 
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Also: Die ganz jungen wussten es überhaupt nicht mehr. Von den Unter-Dreißigjährigen kennt das ungefähr die Hälfte. Offenbar musst du über 30 sein, um schon mal in deinem Leben von einem Telegramm gehört zu haben. 
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Das Album fängt an mit dem Song "Und". Soll man doch nicht. 
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Jaja, richtig. Fange keinen Satz mit "Und" an. Und erst recht kein Album. Hat mein Deutschlehrer früher immer schon gesagt. Herr Buse, schönen Gruß! Ich musste mich einfach mal über ihn hinwegsetzen. 
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Du hast acht neue Videos gedreht, vier in Kapstadt, der Heimat deines Vaters. "Zeilen aus Gold" habt ihr bei deinem Onkel im Garten gedreht, da habt ihr eine Familienfeier nachgespielt. Wissen deine südafrikanischen Verwandten, dass du hier ein Star bist?
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Xavier Naidoo
Seit ein paar Jahren haben sie Satellitenfernsehen, und ich sag ihnen immer Bescheid, wenn was ist, wenn ich irgendwo auftrete. Die gucken sich das dann immer alles an. Diese vier Videos, die ich in Kapstadt aufgenommen habe, die schicke ich ihnen auf jeden Fall. 
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Was ist die Botschaft auf deinem neuen Album? 
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Lern dich besser kennen. Komm zu dir. Finde dich. Wir suchen unseren Weg ja immer irgendwo außen. Dabei schlummert in uns selbst wahnsinnig viel Verborgenes. Die Kindheit, das Tier, aber auch das Genie. Man sollte sich selber ruhig mal analysieren und sich die Zeit nehmen, aus seiner eigenen Umgebung auszubrechen. 
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Wie gut kennst du dich? 
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Es gab eine Zeit, in der habe ich extrem geforscht, was mich selber angeht. Das hatte auch viel mit der Bibel zu tun. Ich bin dort auf viele Dinge gestoßen, die ich nicht gewusst hatte von mir. Das hatte auch damit zu tun, dass mein Vater gestorben ist, als ich 21 war. Dann erreichte ich auch jahrelang nicht die Ziele, die ich mir gesetzt hatte und war ziemlich am Verzweifeln. In diesen Momenten haben sich viele Türen nach innen geöffnet. Komischerweise habe ich diese Trauermomente immer genossen, weil ich da schöne Songs habe schreiben können, die mir dann auch ein Schlüssel waren. 
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"Telegramm für X" ist flotter als man es von dir gewohnt ist. Nicht mehr so balladenlastig. War das Absicht? 
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Absicht war gar nichts. Ich habe über die letzten drei, vier Jahre diese Songs eingesammelt, das hat sich dann alles so ergeben. "Oh My Lady" sollte eigentlich ein Duett mit Nelly Furtado werden, aber dann haben wir das zeitlich nicht mehr hingekriegt. 
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Auf "Telegramm für X" gibt es zwei politische Lieder: "Abgrund" und "Ich bin nicht dafür". Beide Male geht es darum, dass du den Herrschaften in Berlin nicht über den Weg traust. Wie sähe dein Programm aus? 
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Tja, wie soll ich sagen? Im Moment bin ich einfach nur enttäuscht. Wenn die sich nun hinstellen und sagen "Deutschland ist ein Konkursfall" und einer nach dem anderen sich vor der Verantwortung drückt, dann frage ich mich doch: Was haben die denn all die Jahre gemacht? Wofür habe ich denn meine Steuern bezahlt? Es kann doch nicht sein, dass Deutschland nun bankrott ist und in die Tonne getreten wird. Ich bin auch sauer auf die Konzerne, denen jahrelang der deutsche Arbeiter nicht zu schade war, und jetzt verlassen sie das sinkende Schiff. Das finde ich zum Kotzen. 
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Was hast du für Ideen? 
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Das ist naiv, aber ich mag den Gedanken an eine Monarchie: Bei uns geht doch nichts nach vorne, irgendeiner stellt sich doch immer quer, ob nun der Bundesrat oder wer auch immer. Es wäre nicht unsympathisch, wenn wir einen guten König hätten, der die Entscheidungen trifft und der nicht alle vier Jahre wiedergewählt werden müsste. 
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Was hältst du von indizierten, frauen- und gewaltverherrlichenden Rappern wie Bushido oder Sido? 
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Es gibt immer solche Phasen. Hoffentlich wachsen die Leute daran, die das machen, jeder entwickelt sich ja. Hauptsache, die Leute können was. Da habe ich Probleme: Viele sind einfach noch nicht gut genug, um so das Maul aufzureißen. Solange diese Leute wie Sido ihre Texte noch ihren Müttern vorspielen können, ist es okay. Aber ich sage mal so: Wenn ich solche harten Texte machen würde, dann versänke meine Mutter im Erdboden . . . Da sollte der eine oder andere wirklich übers Knie gelegt werden. Irgendwo haben wir Musiker ja eine Verantwortung, weil wir die Jungs mit unseren Aussagen prägen. 
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Was macht die Familienplanung. Mit deiner Freundin Steffi bist du ja nun seit 12 Jahren zusammen. 
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Och, das kann jederzeit losgehen. 
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Das sagst du seit Jahren. 
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Es stimmt auch immer noch. Aber wenn es die letzten Jahre schon passiert wäre mit einem Kind, dann hätte ich mit den Söhnen Mannheims kein Album und keine Tour gemacht, dann hätte ich mich eine Weile ausgeklinkt. 
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Das heißt, falls Nachwuchs ins Haus steht, machst du ein Jahr Erziehungsurlaub? 
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Drei. 
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Echt? 
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Bestimmt. Ich glaube, die ersten drei Jahre im Leben eines Kindes sind die wichtigsten. Da will ich dabei sein und nichts verpassen.
Interview: Steffen Rüth, NRZ 2.12.2005