Startseite
Ich über mich Olympia 1972
Essener Songtage 1968
Veröffentlichungen
Bitte auf deutsch!
Verweise ("Links")
Texte 
Gästebuch


"Ein Onkel, der Gutes mitbringt, ist besser als eine Tante, die nur Klavier spielt..." (Wilhelm Busch)

Wir hatten zwei Tanten. Eigentlich hatten wir mehr, aber Tante Helene und Tante Berta hießen einfach "die Tanten".
In Wirklichkeit waren sie Schwestern meiner Oma Frieda, also Großtanten, aber natürlich sagte keiner: "Heute kommen
die Großtanten", sondern es hieß einfach: "Die Tanten kommen."

Tante Berta brachte immer Gutes mit, Tante Helene spielte dafür Klavier - zusammen mit meiner Oma, d.h. meistens
spielte mein Oma Klavier und Tante Helene sang dazu - mit raumfüllender Stimme.
"Wo singt die?" fragte unser Nachbar Hans Schwaiger draußen auf dem Flur. "Bei uns im Wohnzimmer", antwortete
ich wahrheitsgemäß, ohne zu erahnen, dass der Nachbar wissen wollte, an welchem Opernhaus die Tante normalerweise
sang - so beeindruckt war er...
Tante Helene und Tante Berta gab es normalerweise nur im Doppelpack, und Tante Berta brachte immer irgendwelche
Süßigkeiten mit - ab und zu haben wir damit "Puff" gespielt. Das ist natürlich überhaupt keine Schweinerei, sondern
ein altes deutsches Spiel, das fast vergessen war, ehe es als "Backgammon" über Amerika zurückkam und auf einmal
wieder populär war. Eine typische deutsche Demutsgebärde gegenüber dem großen transatlantischen Bruder - als
heimisches Produkt war es verfemt, altmodisch, provinziell - mit englischem Namen und scheinbar amerikanischer
Herkunft war es auf einmal aktuell, jugendlich, modern... Statt der Spielsteine verwendeten wir beim "Puff"-Spiel mit
Tante Berta die eben erwähnten Bonbons - "Zuckerlen" sagte man in Tirol dazu, aber deshalb schmeckten sie auch
nicht anders...

Tante Berta nun ist ein für uns heute fast nicht mehr glaubhaftes Beispiel für die Ungleichbehandlung der Frau noch
in den 40-er Jahren, wie das folgende Dokument beweist:

 


     Der Herr Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und 
     Volksbildung hat Sie mit dem Erlasse vom 16. Dezember 1941 E III f 
     Thaler e/41 (b) mit Wirkung vom 1. Jänner 1942 ab in die freie 
     Planstelle einer Oberstudienrätin an der Oberschule für Mädchen in 
     Salzburg eingewiesen. 
     In Ihrem Besoldungsdienstalter tritt keine Änderung ein.

 
Abgesehen davon, dass der Dr. Scharinger den Unterschied zwischen "der Gehalt" und "das Gehalt" offenbar nicht kannte (oder war's doch eine österreichische Variante der deutschen Sprache? Aber so etwas im "Großdeutschen Reich", wo's doch gar kein Österreich mehr gab, sondern nur noch die "Ostmark" - nicht mit der Währung der ehemaligen DDR zu verwechseln... ?) - abgesehen also von diesem sprachlichen Fehlgriff war der eigentliche Skandal eine schlichte Feststellung, so unwichtig, dass man sie in Klammern setzen konnte:

"Grundgehalt (für weibl. Lehrkräfte um 10% gekürzt)" - Kommentar überflüssig, aber was hätte wohl Alice Schwarzer damals dazu gesagt?