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Perfekt Englisch oder defekt mehrsprachig? 
Symposium zur Sprachenvielfalt in der EU 
Von Heide Korn 

Wien - "Die Sprachenvielfalt erhalten", das sagt sich so leicht in einer EU, die demnächst von elf auf 22 Idiome expandieren wird. Zwar schreiben die Verträge von Maastricht und Amsterdam den Sprachenpluralismus fest, doch die Praxis sieht anders aus. 

Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur kommunizieren längst rund um die Welt auf Englisch. Mit Rücksicht auf nationale Empfindlichkeiten traut sich die Politik jedoch nicht, den tabuisierten Widerspruch offen zu legen. In die Bresche springt daher nun als Beitrag zum "Europäischen Jahr der Sprachen" die Österreichische Akademie der Wissenschaften: Von heute, Donnerstag, bis Samstag steht die Vielsprachigkeit im Mittelpunkt eines internationalen Symposiums in Wien. 

"Die Problematik beginnt bei der ganz banalen Frage", erklärt Germanist und Tagungsleiter Hans- Jürgen Krumm dem STANDARD, "wie viele Dolmetschkabinen in einen Raum passen. Bei 22 Sprachen gäbe es nämlich 462 Übersetzungsmöglichkeiten." Und sie endet bei der Unfinanzierbarkeit. Als mögliche Lösung wird daher die "Brückensprache" diskutiert. 

Brückensprache 

Dabei beherrscht jeder Dolmetscher neben seiner Muttersprache perfekt Englisch und übersetzt nicht mehr direkt aus dem Französischen (Dänischen, Tschechischen etc.) ins Deutsche, sondern zunächst ins Englische. Von dort dolmetscht ein deutscher Native Speaker ins Deutsche. So käme man mit 22 Dolmetschern aus. 

Hinterfragen will das Symposium aber auch, was mit "Mehrsprachigkeit" eigentlich gemeint ist. Soll jeder EU-Bürger neben seiner Muttersprache nur noch Englisch sprechen - oder doch mehr? Wenn echte Vielfalt gewünscht wird, wie ist sie möglichst günstig zu erreichen? Dazu Krumm: "In den Niederlanden probiert man gerade ein neues Modell aus. Dort können die Schüler wählen, ob sie in einer Fremdsprache mündlich oder schriftlich benotet werden wollen - das schafft Zeit für eine weitere Sprache." Ziel ist hier die so genannte "sprachenteilige Gesellschaft", bei der erst vier Personen die perfekte Sprache liefern. 

Synergieeffekte 

Mit der Vereinfachung des Spracherwerbs beschäftigt sich auch die erst im Ansatz vorhandene "Tertiärsprachen- oder Interkomprehensionsforschung". Krumm: "Bisher hat es immer geheißen, Spanisch und Portugiesisch könne man wegen der Ähnlichkeit nicht zusammen lernen - wissenschaftlich untersucht ist das jedoch nicht. Das holt die Interkomprehensionsforschung nun nach, wobei sie vor allem nach möglichen Synergieeffekten sucht. Die Vielsprachigkeit bietet also, wenn wir sie wirklich wollen, noch ein weites Forschungsfeld."

Der Standard, Wien