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Ich über mich | Olympia 1972 |
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Texte |
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Sprache ist überhaupt
Vehikel
zur Aneignung von Welt und zur Teilhabe an Welt sowie das wichtigste
Werkzeug
des Menschen, um Kultur zu schaffen. Sprache beinhaltet zudem die
Chance,
Kreativität oder zumindest ein Gespür für künstlerische Leistung zu
entwickeln.
Mittels Sprache erwirbt sodann gerade der junge Mensch seine
individuelle
Identität, mittels Sprache entfalten sich nämlich seine Innerlichkeit
und
seine kommunikative Kompetenz. Und schließlich bietet Sprache die
friedlichste Möglichkeit, Konflikte zu lösen Kulturnationen
legen deshalb zu Recht großen Wert auf die Pflege ihrer Sprache oder
ihrer
Sprachen. Demgegenüber hat sich in der Gesellschaft und im
Bildungswesen
Deutschlands eher ein nachlässiger Sprachgebrauch breit gemacht. Diese
Tendenzen beeinträchtigen die Entwicklung junger Menschen und leisten
zudem
einer allgemeinen Dekultivierung Vorschub.
1. These Das Beherrschen der Muttersprache ist die zentrale Schlüsselqualifikation, das Fach Deutsch ist damit das schulische Basis- und Querschnittsfach schlechthin. Dies muss sich in der Ausstattung des Faches Deutsch mit Unterrichtsstunden niederschlagen. sprachnachrichten 02/06, S. 4 |
Bedauerlicherweise
aber ist der Anteil des Unterrichts in der Muttersprache
in kaum einem Land der Welt so niedrig
wie in Deutschland: etwa 16 Prozent in den Jahrgangsstufen 1 bis 10.
Zum
Vergleich: Polen 22, Schweden 23, Dänemark 25, Norwegen
24,
Frankreich 26, China 26 Prozent. Diese Fehlentwicklung ist abzustellen:
Drei
Deutschstunden pro Woche an allgemein bildenden Schulen sind schlicht
zu
wenig. Das
Beherrschen der Mutter-
oder Landessprache ist das entscheidende Fundament für das
Erlernen
von
Fremdsprachen. Das Fach Deutsch ist somit maßgebliche Grundlage für
einen
erfolgreichen Fremdsprachenunterricht. Der sich mehr und mehr
etablierende
Fremdsprachenunterricht in der Grundschule darf deshalb nicht zu Lasten
des
Deutschunterrichts gehen. Schüler, die mutter- oder
unterrichtssprachliche
Defizite haben, müssen möglichst früh im Fach Deutsch zusätzlich
gefördert
werden. |
propädeutische
Arbeitsmethoden (Protokollieren, Exzerpieren,
Bibliographieren usw.). Umgekehrt haben alle Fächer der allgemein
bildenden
und der berufsbildenden Schulen die Aufgabe, einen korrekten und
differenzierten Gebrauch der deutschen Sprache einzufordern. Deutschunterricht
ist zudem implizit Medienerziehung. Denn das Lesen |
und
Syntax) sowie durch die Vermittlung eines umfassenden und
differenzierten deutschen
Wortschatzes. Die Begegnung mit Literatur fördert zudem das
Verständnis für
kulturelle Entwicklungen, und sie schafft zwischenmenschliche
Kommunikations- chancen. 5. These Sprachschulung
muss den
richtigen Mittelweg finden zwischen puristischer Abschottung
gegenüber
global
oder medial bedingten Einflüssen und Offenheit für die Lebendigkeit
der
Entwicklung einer jeden Sprache. Dabei darf die Schule einer
fortschreitenden
Simplifizierung und einer kritiklosen Anglisierung des Deutschen
nicht
tatenlos zusehen. Die Übernahme von Anglizismen kann das Deutsche bzw.
einzelne Fachprachen bereichern, als kritiklose Übernahme hat sie
jedoch
nichts zu tun mit Globalität oder Modernität. Für das im Zuge der
Globalisierung weltweit sich verbreitende Pidgin-Englisch, das
übrigens das
Englische als Kultursprache erheblich belastet, gilt das nicht. Josef Kraus, Präsident
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