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               Schulische Offensive für die deutsche Sprache
          Fünf Thesen des Deutschen Lehrerverbandes zum Internationalen Tag der Muttersprache
                  am 23. Februar 2006

Sprache ist überhaupt Vehikel zur Aneignung von Welt und zur Teil­habe an Welt sowie das wichtig­ste Werkzeug des Menschen, um Kultur zu schaffen. Sprache beinhaltet zudem die Chance, Kreativität oder zumindest ein Gespür für künstlerische Leistung zu entwickeln. Mittels Sprache erwirbt sodann gerade der junge Mensch seine individuelle Identität, mittels Sprache entfalten sich nämlich seine Innerlich­keit und seine kommunikative Kom­petenz. Und schließlich bietet Spra­che die friedlichste Möglichkeit, Kon­flikte zu lösen Kulturnationen legen deshalb zu Recht großen Wert auf die Pflege ihrer Sprache oder ihrer Sprachen. Demge­genüber hat sich in der Gesellschaft und im Bildungswesen Deutschlands eher ein nachlässiger Sprachgebrauch breit­ gemacht. Diese Tendenzen beeinträch­tigen die Entwicklung junger Menschen und leisten zudem einer allgemeinen Dekultivierung Vorschub.

1. These

 Das Beherrschen der Muttersprache ist die zentrale Schlüsselqualifika­tion, das Fach Deutsch ist damit das schulische Basis- und Querschnittsfach schlechthin. Dies muss sich in der Aus­stattung des Faches Deutsch mit Unterrichtsstunden niederschlagen.




sprachnachrichten 02/06, S. 4
Bedauerlicherweise aber ist der Anteil des Unterrichts in der Mutter­sprache in kaum einem Land der Welt so niedrig wie in Deutschland: etwa 16 Prozent in den Jahrgangsstufen 1 bis 10. Zum Vergleich: Polen 22, Schwe­den 23, Dänemark 25, Norwegen 24, Frankreich 26, China 26 Prozent. Diese Fehlentwicklung ist abzustellen: Drei Deutschstunden pro Woche an allge­mein bildenden Schulen sind schlicht zu wenig.

 2. These:

Das Beherrschen der Mutter- oder Landessprache ist das entschei­dende Fundament für das Erlernen von Fremdsprachen. Das Fach Deutsch ist somit maßgebliche Grundlage für einen erfolgreichen Fremdsprachenun­terricht. Der sich mehr und mehr eta­blierende Fremdsprachenunterricht in der Grundschule darf deshalb nicht zu Lasten des Deutschunterrichts gehen. Schüler, die mutter- oder unterrichtssprachliche Defizite haben, müssen möglichst früh im Fach Deutsch zusätz­lich gefördert werden.

 3. These:

Ein solider Deutschunterricht nutzt allen Fächern. Er vermittelt 

propädeu­tische Arbeitsmethoden (Protokollieren, Exzerpieren, Bibliographieren usw.). Umgekehrt haben alle Fächer der allge­mein bildenden und der berufsbildenden Schulen die Aufgabe, einen korrekten und differenzierten Gebrauch der deut­schen Sprache einzufordern.

Deutschunterricht ist zudem impli­zit Medienerziehung. Denn das Lesen bleibt auch in Zeiten neuer Informa­tionstechniken und in Zeiten einer fortschreitenden Verbildlichung von Informationen die wichtigste Kultur-technik.

 4.  These:

Die Schule muss der sprachlichen und literarischen Bildung wieder mehr Aufmerksamkeit widmen. Sie muss dabei verstärkt unterstützt wer­den von den Elternhäusern und von den Kindergärten, indem diese die für den Spracherwerb sensiblen Phasen intensiv für sprachliches Lernen nach dem Nachahmungsprinzip nutzen. Der Deutschunterricht muss gestärkt werden: durch das verstärkte Erlernen und Einüben von formal- sprachlichen Fertigkeiten (richtiger Gebrauch von Orthographie, Grammatik

und Syn­tax) sowie durch die Vermittlung eines umfassenden und differenzierten deut­schen Wortschatzes. Die Begegnung mit Literatur fördert zudem das Verständ­nis für kulturelle Entwicklungen, und sie schafft zwischenmenschliche Kommunikations- chancen.

5. These

Sprachschulung muss den richtigen Mittelweg finden zwischen puristischer Abschottung gegenüber global oder medial bedingten Einflüssen und Offen­heit für die Lebendigkeit der Entwickl­ung einer jeden Sprache. Dabei darf die Schule einer fortschreitenden Simplifi­zierung und einer kritiklosen Anglisier­ung des Deutschen nicht tatenlos zuse­hen. Die Übernahme von Anglizismen kann das Deutsche bzw. einzelne Fach­prachen bereichern, als kritiklose Über­nahme hat sie jedoch nichts zu tun mit Globalität oder Modernität. Für das im Zuge der Globalisierung weltweit sich verbreitende Pidgin-Englisch, das übri­gens das Englische als Kultursprache erheblich belastet, gilt das nicht.

Josef Kraus, Präsident


Der Deutsche Lehrerverband (DL) ist die Dachorganisation von 16o.ooo Lehrern und damit die größte Leh­rerorganisation in Deutschland außerhalb der Gewerkschaften des DGB.