|
Ich über mich | Olympia 1972 |
|
|
|
|
Texte |
|
Bis
1989 gab es den
West-Duden und den Ost-Duden. Hat es also nicht nur die deutsche
Sprache,
sondern zwei deutsche Sprachen gegeben? Nun ja, verstanden haben sich
Ossis und
Wessis (oder eben Bundis und Zonis, wie es in der DDR hieß) wohl schon.
Trotzdem spiegelt ihr unterschiedlicher Sprachgebrauch auch
unterschiedliche
Lebensgewohnheiten und den unterschiedlichen politischen Hintergrund
wider. Auf
humoristische und unterhaltsame Weise hat Ernst Röhl die
Charakteristika dieser
"zweiten Hälfte" der deutschen Sprache unter dem Titel "Vom
Broiler zum Spoiler. Sprachblüten aus vier Jahrzehnten DDR" (erhältlich
als CD im Eulenspiegelverlag) zusammengetragen. Ernst
Röhl, gebürtiger Mecklenburger (1937),
arbeitete als Kabarettist - als Mitglied des Leipziger
Studentenkabaretts
"Rat der Spötter" geriet er mit der Obrigkeit der DDR aneinander und
wurde eine Zeit lang inhaftiert - und als Redakteur für die
Satirezeitschrift Eulenspiegel.
Diese Zeitschrift ist als "Spezialist für Satire und Humor im Osten"
übrigens eine der wenigen, die die Wende überlebt haben. Außerdem
veröffentlichte er mehrere Bände u.a. mit Kurzgeschichten und Satiren,
darunter
auch ein deutsch-deutsches satirisches Wörterbuch. Auf
der CD "Vom Broiler zum Spoiler"
liefert er einen kleinen Überblick über die lustig-verschrobenen und
teilweise
absurden Eigenarten des Sprachgebrauchs in der DDR. In den ersten zwei
Abschnitten bekommt der Hörer einen Eindruck davon, welch betont
kämpferische
und formelhaft beschwörerische Gestalt die Sprache u.a. in den Medien
annahm
und wie die Politik die Sprache benutzte, um eine ideale Scheinwelt
aufzubauen.
So wurde z.B. die Mauer zum "antifaschistischen Schutzwall"
beschönigt und der schnöde Museumswärter in den Rang eines
"Mitarbeiters
für Kunstgutsicherung" erhoben. Gleichzeitig macht Röhl aber auch klar,
dass die Sprache der BRD genauso von gezielten Beschönigungen geprägt
ist. Im
nächsten Teil wird die Sprachthematik etwas ausgeweitet und der
politische Witz
der DDR vorgestellt, der dem Volk nicht zuletzt zur Ironisierung des
Alltags
und als Ventil für Unzufriedenheit diente. Nicht fehlen dürfen des
weiteren die
typischerweise ausrufezeichenlastigen Losungen in ihrer ganzen
Bandbreite von
ausgefeilten Werbeslogans à la "Jagdwaffen aus Suhl schießen gut, 3000
tote Hasen können ein Lied davon singen" bis zu politischen Reimwerken
wie
"Wer den Frieden will erhalten, muss kämpfen gegen imperialistische
Gewalten". Und auch hier schlägt das Volk zurück. Bei den
Massendemonstrationen
1989 bediente es sich ebensolcher Parolen, allerdings in ironischer und
staatskritischer Weise. Im letzten Kapitel wendet sich Röhl dem Aspekt
zu, wie
stark dieses bestimmte Vokabular an den politischen Hintergrund
gebunden war.
Dies zeigte sich bereits kurz nach dem Fall der Mauer mit dem schnellen
Verschwinden der typischen DDR-Ausdrücke. Schnell wurde das zuvor als
konterrevolutionär geächtete Vokabular des westlichen Systems und der
Marktwirtschaft übernommen. Was
hier nur kurz zusammengefasst wurde,
schmückt Röhl mit einer amüsanten Vielzahl von Beispielen aus und
kommentiert
das an sich schon durch die verdrehte Formalisiertheit erheiternde
Anschauungsmaterial
(z.B. das Fähnchen, das zum Winkelement wird, die Kuh, die als
rauhfutterverzehrende Großvieheinheit weidet oder die durch den
"Blähungskoeffizient" aufgeblasenen Zitate aus Zeitungen und Reden)
mit eigenem Wortwitz und Wortspielen. Ein unterhaltsamer Einblick in die
deutsch-deutsche Geschichte aus sprachlicher Sicht also. Und am besten
hört man
sich die CD selbst an und entscheidet dann, welche Abstufung der Skala,
mit der
die Zeitungen der DDR den Erfolg der Parteitagsreden bewerteten, man
dem ganzen
zubilligt: Beifall, starker Beifall, langanhaltend starker Beifall,
langanhaltend stürmischer Beifall oder doch Beifall mit Hochrufen und
Hurrarufen? |