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                Meine Sprache
                    von Rudolf Walter Leonhardt
 

Die dümmsten Anglizismen und Amerikanismen sind alle, die so tun, als ob sie deutsch wären. Sie machen keinen anderen Sinn (da haben wir schon einen!), als schick zu tun oder, wie es in diesem Zusammenhang wohl heißen muss, "chic". Das ist auch sonderbar, wie das gute alte deutsche "schick" ins Französische aufgenommen wurde und dann auf einmal zurückkehrte als "chic". 

Fremdwörtern immer den Vorzug zu geben, ist so albern wie sie um jeden Preis zu meiden. Wenn jemand "clever" meint und glaubt, das sei weder mit "gescheit" noch mit "gerissen" richtig wieder- gegeben, dann soll er ruhig "clever" sagen. Wer aus "cool" die Anklänge des amerikanischen Südens noch heraushören will, kann nicht "kühl" für einen geeigneten Ersatz halten. Andererseits wird "das (er)-gibt (einen) Sinn" weder an Klang noch an Bedeutung reicher, wenn man die englische Form borgt und behauptet "das macht Sinn". 

"Jemanden motivieren" ist sicher gut. Aber man würde es so nicht nennen ohne das Vorbild des englischen "to motivate". Wo es nicht genügt, jemanden anzuregen oder anzuspornen, da hülfe es 
vielleicht, jemandem ein Ziel zu setzen. Die "vitalen Interessen" haben die ohnehin nicht sehr feste Bedeutung des Fremdwortes "vital" vom Lebenskrafterfüllten verschoben hin zum Lebenswichtigen. Dadurch sind unerwünschte Homonyme entstanden, Wörter, die gleich klingen, aber Verschiedenes meinen. 

Häufig kann man diesen den Engländern nachgeäfften Satz lesen: "Der deutsche Bundeskanzler traf den französischen Ministerpräsidenten." Wie sich das eben so trifft! "Treffen" hat aber im Deutschen, außer bei Scharfschützen, immer etwas Zufälliges. Es ist etwas anderes, ob sie ihren Freund trifft 
oder ob sie sich mit ihrem Freund trifft. 

Schließen wir mit meinem Hass-Liebling unter den überflüssigerweise ins Deutsche eingeschmuggel- ten Anglizismen. Um sich Wiederholendes auszudrücken, sagt man in Frankreich "encore une fois", in England "once more". Hier orientiert sich das Deutsche eher am Französischen: "noch einmal". Es ist nicht einzusehen, was - außer einer chicen Tournure - damit gewonnen ist, wenn wir neuerdings wieder dem Sprachgebrauch des Dr. Goebbels folgen und "einmal mehr" sagen. Dabei fällt mir das Krächzen des Raben in Edgar Allan Poes schönstem Gedicht ein. Und der Rabe krächzt: "Never more!" - was eben nicht "Nicht einmal mehr!" heißt, sondern "Nicht noch einmal!". 

Der Tagesspiegel. Berlin. 08.03.2002