"Voll krass, Alder"
Von Türkendeutsch über
Kanak Sprak zu
Kanakisch
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Wenn die Comedy-Stars
Dragan und Alder von ihren "krass" vielen Handys sprechen oder "Isch
geh Bahnhof, Mann" verkünden, haben sie die Lacher auf ihrer
Seite. Ein neuer Slang hat seit 1999 deutsche Bildschirme,
Kinoleinwände und jetzt auch CD- und Buchläden erobert.
"Türkendeutsch"
sagte man bis dato - und das hatte einen deutlich negativen
Beigeschmack. Diese Zeiten sind vorbei. Heute spricht man von "Kanak
Sprak" oder "Kanakisch" - wobei feine, aber entscheidende Unterschiede
zu beachten sind. In Deutschland aufgewachsene
türkischstämmige Jugendliche haben ihre eigene Sprache
kreiert, die seit einigen Jahren durch Dragan und Alder, vor allem aber
Feridun Zaimoglu den Weg in die breite Öffentlichkeit gefunden hat.
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Diese Mischung gibt dem 2000 beim Audio
Verlag
erschienenen Hörbuch "Kanak Sprak" (ISBN 3-89813-064-9) seinen
ganz besonderen Reiz, macht es aber auch schwer hörbar. Die
51-minütige CD mit 16-seitigem Booklet ergänzt, was unter
gleichem Namen produziert wurde: ein Buch, ein Theaterstück und
ein Film. Gespräche und Gebete werden akustisch mit
Alltagsgeräuschen einer Großstadt und Musikfetzen zu einer
ganz eigenen Atmosphäre verdichtet. Die deutsch-türkische
Rap-Gruppe Da Crime Posse aus Kiel, wo Zaimoglu lebt, spielte dazu neun
Raps ein. Es entstand ein Hörspiel mit 24 Reportagen im
Rap-Rhythmus. Wie in seinen Büchern analysiert Zaimoglu auch hier
nicht, sondern dokumentiert nur. Unverkennbar ist aber die
verbittert- aggressive Reaktion auf diskriminierendes Verhalten der
Mehrheitsgesellschaft.
Die 13 Texte hat
Freidank
nicht einfach nur auf zwei bis drei Seiten verkürzt und ins
Kanakische übersetzt. Sie wurden auch in die heutige Zeit
deutscher Großstädte versetzt. Erzählt auf "krass
konkret Kanakisch" findet sich so die Geschichte vom Hase und dem Igel
verwandelt in "Dem Benz un dem 3ern". Sie beginnt wie folgt:
"Da warn
ma swei Typn vor Mc Donalds, dem Stefan Hase und dem Murat Igel,
weisstu! Dem Stefan hatte krasse Benz mit sekksundertern Maschine, dem
anderen hatte 3ern mit einsekksern Maschine. Un als dem ma Burgern un
Pommes gefressen ham, hat dem Murat dem Stefan angelabert: "Alder, dein
Maschine is scheissndreck!" "Halts Maul du Penner, isch schwör!
Deim 3ern versäg ich mit 600ern in Ruckwärtsgang!" hat dem
Stefan gesagt, "Abern ok, machen wirn krasse Race. Immern von eim zum
nächstem Ampeln, ok?".
Es sind Märchen, die
"eine Nummer härter und tabuloser sind als die, die man schon von
der Großmutter erzählt bekommen hat. Stören Sie sich
als Neuling nicht an Worten wie 'Spast', 'Wixer' oder 'Penner'. Diese
Worte haben im Kanakischen längst ihre Ursprungsbedeutung verloren
und eine neue erlangt," erklärt Freidank. Und wer genau wissen
will, was diese Vokabeln bedeuten, dem ist das mit 2,99 Euro preiswerte
Lehrbuch "Kanakisch-Deutsch" (ISBN 3-8218-2063-2) sowie der ebenso
günstig erhältliche "Grund- und Aufbauwortschatz Kanakisch"
(ISBN 3-8218-2083-7) vom gleichen Autor zu empfehlen. Ersteres ist
für 9,95 Euro auch als CD erhältlich (ISBN
3-8218-5168-6). Die Texte müssen aber eigentlich unbedingt
vorgelesen werden - Warum nicht 13- bis 16-jährigen Jugendlichen,
die keinen Bock mehr haben auf "Es war einmal" und "Wenn sie nicht
gestorben sind"?
Solcherart
herausgefordert legte auch Feridun Zaimoglu 2002 mit "Kopf und Kragen"
(ISBN: 3-596-15290-9) ein Kanak-Kultur-Kompendium" vor. Und dann ist da
noch Hermann Ehmann. Der Münchner hat zum Thema "Jugendsprache und
Dialekt" promoviert und nach den beiden Bestsellern "affengeil" und
"oberaffengeil" 2001 mit "Voll konkret" (ISBN 3406459463) die
Fortsetzung seines Lexikons zur Jugendsprache vorgelegt. Auf 160 Seiten
hat er notiert, was der generation@
den lieben langen Tag so über
die Lippen kommt. Ihr Wortschatz reicht dabei von abducken über Gripsräver
und Saugnaffel bis wamsrammeln und zuföhnen.
Überschneidungen mit der Kanak-Sprak sind hier kein echtes Thema.
Das braucht wohl noch etwas Zeit.
Die
Sprachwissenschaftlerin Inken Keim vom Institut für deutsche
Sprache in Mannheim glaubt jedenfalls, dass die Kanak Sprak "mehr als
eine vorübergehende Sprachmode" ist. Bei der
deutsch-türkischen Mischsprache handele es sich zwar, so Keim, um
eine sehr reduzierte Sprache, "aber das hat nichts mit Unsicherheiten
oder grammatikalischen Fehlern zu tun." Die türkischstämmigen
Jugendlichen sprechen in der Regel Deutsch und Türkisch sehr gut.
Indem sie in der Kanak Sprak Artikel und Präpositionen wegfallen
lassen, zeigen sie, "dass sie sich weder zur deutschen noch zur
türkischen Gruppe zugehörig fühlen". Die Mischsprache
sei "Symbol für eine eigene soziokulturelle Identität". Dazu
gehört auch, dass sie das Schimpfwort "Kanake" nun selbstbewusst -
und ohne Rücksicht auf politische Korrektheit - für sich
selbst verwenden.
Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan
© http://www.isoplan.de/aid/2002-4/sprache.htm
Informativ und nützlich für
das Verständnis nicht so sehr der Sprache als ihrer Sprecher ist
der im Auftrag
der
Friedrich-Ebert-Stiftung verfasste Essay von Yasemin
Karakasoglu-Aydin:
"Ich
bin stolz, ein Türke zu sein". Bedeutung ethnischer Orientierungen
für
das positive Selbstwertgefühl türkischer Jugendlicher in
Deutschland
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