Oktober 1941 - in den Tagen
meiner Geburt
steht mein Vater an der Front - am Eismeer, mit seiner
Gebirgsjäger-Division.
Polen ist geschlagen, der Blitzkrieg gegen Frankreich gewonnen, alles
steht
bestens - der Endsieg kann nicht mehr
lange auf
sich warten lassen. So klingt es in den Briefen "aus
dem Feld"...
In dieser euphorischen
Stimmung
- "Was der Führer macht, macht er gründlich" (wie bitter hat
sich dieser
Satz bestätigt!) - entsteht das "heitere Buch von unseren
Gebirgsjägern",
der Jager-Toni. Heiter darf der Mann im Krieg sein, aber nicht
weich.
Ob man selbst nach
scheinbar glänzenden
Siegen den Krieg so verharmlosen darf? Ich weiß es nicht, ich war
nicht dabei, ich kenne das Front-Geschehen nur aus Filmen,
ästhetisch
gefiltert selbst da, wo es grausam sein soll wie etwa in Steven
Spielbegs
"Soldat James Ryan".
Immerhin, wenn man von
einigen
rassistischen Passagen absieht, ist das Büchlein auch nicht
schlimmer
als andere Heldengeschichten vom Militär. Und da es keine offene
NS-Propaganda
enthält, darf es als Dokument hier stehen.
Ob mein Vater im
Innersten verborgen
etwas ahnte von dem wirklichen Schrecken, den dieser mörderische
Krieg
noch bereit hielt? Ich weiß es nicht - und leider kann ich ihn
nicht
mehr fragen, leider habe ich ihn viel zu wenig gefragt - selbst
befangen
im Bewusstsein, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen und
allenfalls
bereit, über die Verirrungen der Vätergeneration hinweg
zu schweigen, nicht aber, mich mit dem Menschen auseinanderzusetzen,
der
mein Vater war.
Jetzt ist es zu
spät.
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