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Deutsch lohnt!

Berliner Zeitung vom 30.7.2002
http://www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/feuilleton/.html/163622.html

TAGEBUCH

Deutsche Sprache im Angebot

Ulrich Seidler

Jetzt versucht es der Verein Deutsche Sprache, nachdem moralische
Argumente sich als ungeeignet zur Abwehr von Ausländisch erwiesen
haben, mit anderen Mitteln. Was wirkt, wenn Moral nicht wirkt? Geld.

Und wann wird das Wort zum Wert? Bei der Betitelung von Produkten mit
Markennamen. Da geht es um knappe und deshalb hart umkämpfte
Ressourcen: Den aktiven, aus 6 000 Vokabeln bestehenden Wortschatz
eines sprachlich Durchschnittsbemittelten umlauern die Bezeichnungen
von (sage und schreibe) 25 Millionen Marken. Günstigenfalls wird das
Wort für die Ware vom Namen der Marke verdrängt: Dann sagt man
"Klebestreifen" statt "Tesafilm".

Es heißt nicht umsonst "Wortschatz" - mit so etwas muss sich doch
wirtschaftlich argumentieren lassen. Zitiert wird zu diesem Zweck eine
Studie der Endmark International Namefinding AG, nach der
"Markennamen, deren Schreibweisen und Aussprache mehrdeutig
interpretiert werden können, häufig zu Verwirrung". führen. Die Folge
sei: Verunsicherung bei der Aussprache und - Kaufhemmung.
"Kaufhemmung!" klingt in den Ohren von Marketingstrategen wie
"Gefrierbrand!" oder "Kratzer!" oder "Kalk!" Jene Albtraumparolen, mit
denen Gegenmittelkunden geworben werden.

Die Sprachkompetenz der Zielgruppenangehörigen werde, so die Studie,
oft überschätzt. Bis zu 91,9 Prozent wüssten nicht wie "O2" korrekt
ausgesprochen wird. "Null zwei", "oh zwo" oder einfach "Sauerstoff"?
Das Herrenmagazin "Men's Health" werde nur von 13,6 Prozent korrekt
ausgesprochen. Warum nennt man solches Heft nicht ungehemmt
"Herrenwohl"?

Nun sind wir aber in Berlin. In Berlin gibt es keine Hemmungen. Hier
wird prononciert angesagt, was gewollt ist, schnurz, ob auf korrekte
Weise: "Zwee Pulln Duschadöng, Madammchen." "Watt? Keen Duschadöng
da? Na denn wird's heut doch wieda Jejameesta."

In der Pressemitteilung, mit der die Öffentlichkeit von dieser Studie
in Kenntnis gesetzt wird, gestattet sich der Verein Deutsche Sprache
keinen Kommentar. Äußerst subtil wird auf das Problem hingewiesen und
darauf gehofft, dass der Markennamenerfinder auf die
Muttersprachkenntnis der Adressaten als Lösung baut. "Am eindeutigsten
konnten die Namen ausgesprochen werden, deren Buchstabenfolge eins zu
eins in der deutschen Sprache gelesen wie gesprochen werden konnten."

Solche Markennamen erwiesen sich für immerhin über 90 Prozent der
Befragten als korrekt aussprechbar. "Die sprachliche Kompatibilität
von Markennamen spielt deshalb eine wichtige Rolle, weil es ein
vorrangiges Ziel jedes Markennamens ist, Bestandteil des aktiven
Sprachschatzes zu werden." Kurz: "Deutsch lohnt."

Kontakt: leserbriefe@berlinonline.de