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Zur Rolle der Anglizismen in der deutschen Sprache
http://www.das-manuskript.com/verlag-anglizismen.html

Copyright: Walter de Gruyter GmbH & Co. KG Die europäischen Sprachen verdanken ihre Gestalt vielfältigen gegenseitigen Einflüssen. Die auf einer griechisch-lateinischen Basis funktionierenden Teile eines gemeinsamen Bildungswortschatzes verdanken wir der Rolle der Bildungssprache Latein, dem Italienischen das gemeinsame Sprechen über das Geldwesen ebenso wie das über Musik, das Französische hat in vielerlei Hinsicht und in mehreren Phasen unsere Alltagskultur erweitert und verändert. Das Deutsche seinerseits übte einen hohen Einfluss auf seine östlichen und nördlichen Nachbarn aus. Kontakt zwischen den europäischen Sprachen ist also eher der Normalfall als die Ausnahme.
Nun also das Englische – nichts Neues also? Ja und nein: tatsächlich hat das Englische mit der dort vorherrschenden pragmatischen Version der Aufklärung im 18. Jahrhundert, später als Muster
parlamentarischer Praxis, als Vorreiter der Industrialisierung und als Vorhut von Tourismus und Sport zunächst die Tradition dominanter Kontaktsprachen im europäischen Raum fortgesetzt.


Eine andere Qualität des Einflusses

Das Neue kommt erst allmählich: seit den 1950er Jahren wächst der politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Einfluss der USA dramatisch, eine internationale Jugendkultur entsteht und verändert das Gesicht der westlichen Gesellschaften. So nimmt nun das Englische den Platz ein, den sich einmal das Lateinische und das Französische geteilt hatten und den seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert die größeren von den europäischen Nationalsprachen wie das Deutsche für sich erobert hatten. Das ist natürlich etwas Neues. Neu ist auch, dass der praktische Kontakt mit dem amerikanischen Englisch nicht auf Eliten und ausgewählte Situationen begrenzt ist, sondern praktisch die ganze Bevölkerung berührt. Neu sind auch die Medien, in denen dieser Kontakt stattfindet: in den elektronischen Medien, im Satellitenfernsehen und vor allem im Internet ist die sprachliche Globalisierung bei den meisten von uns angekommen.

Das Englische ist aufgrund dieser Entwicklungen nicht nur allerorten anzufinden, es trägt auch das Bild von Fortschrittlichkeit und Modernität in sich, sein praktischer wie symbolischer Wert ist ganz erheblich gestiegen.

Bei der allgemein gewachsenen Mobilität ist es zweifellos nützlich, auch in ansonsten sehr fremden Umgebungen die Hilfe eines solchen Hilfsmittels der internationalen Kommunikation zu haben. Andererseits: wer fühlt sich nicht in seiner Muttersprache wohler, kann genauer sagen, was er denkt, verhält sich nicht insgesamt natürlicher?

Das Prinzip sprachlicher Subsidiarität - Eine neue Art von Mehrsprachigkeit

Zudem steigt die Tendenz bei den Muttersprachlern des Englischen, Dinge, die in anderen Sprachen geäußert oder vor allem geschrieben werden, nicht mehr wahrzunehmen, für weniger wichtig zu halten. Viele Bereiche der Naturwissenschaft und Technik sind weithin zum Englischen als Berufssprache übergegangen. Sich hier verstärkt um eine sinnvolle Fortsetzung des Erbes der europäischen Mehrsprachigkeit zu bemühen, dient nicht zuletzt der möglichst weit verbreiteten Teilhabe an den Wissensbeständen, einem in demokratischen Gesellschaften nicht unwichtigen Zustand. Eine neue Art von Mehrsprachigkeit, die vom Prinzip sprachlicher Subsidiarität geprägt ist – "jede Sprache an ihrem Platz" -, könnte diesen Anforderungen Rechnung tragen.

Mehr als von diesen generellen Fragen der Sprachenwahl ist die öffentliche Diskussion im deutschsprachigen Raum aber davon geprägt, was man von den alltäglich in das Deutsche eindringenden englischen Elementen halten und wie man mit ihnen umgehen solle.

Vom Umgang mit den Anglizismen

Viele als zukunftsweisend und bedeutsam geltende Sachbereiche kommen in englischsprachiger Form zu uns. Viele Anglizismen finden sich dann, wenn und wo entsprechende fachliche Sachverhalte von Nichtfachleuten aufgenommen werden. Eine solche Schnittstelle stellt unser alltäglicher Umgang mit dem Computer dar. Wenn man den Wortschatz in diesem Umfeld betrachtet, sieht man, dass Englisches an zwei Stellen besonders leicht übernommen wird. Zum ersten in dem sehr fachnahen Bereich (Hardware; Upgrade) , der für den alltäglichen Nutzer von nicht so zentralem Interesse ist, zum anderen an Stellen, wo das Englische eine jener griffigen metaphorischen Bildungen anbietet, die das Deutsche offenbar nicht in der selben Unbefangenheit nachzubilden erlaubt (Notebook; Memory Stick; aber: Maus). Ansonsten hat das Deutsche natürlich Anteil an den Möglichkeiten des gemeinsamen europäischen Bildungswortschatzes (Programm; Partition; Optionen; Informationstechnologie). Die ungemeine Leichtigkeit, mit der das Englische aus beliebigen Substantiven Verben machen kann, erhöht an etlichen Stellen die Neigung, diese knappen (mailen) und weniger stark mit Konnotationen versehenen (chatten vs. "plaudern") Verben den deutschen Fügungen vorzuziehen. So wäre eine deutsche Form e-Post eigentlich kein Problem, aber was dem Verb mailen entspräche, wäre jedenfalls deutlich aufwendiger.

Dennoch: gerade in den Bereichen, in denen der alltägliche Benutzer mit dem Computer zu tun hat, finden sich auch viele gängige Verdeutschungen (hochfahren, speichern, Festplatte, Laufwerk) und Integrationen in traditionelle Fachlichkeit (Datei, Diskette, Hypertext), auch durch Lehnbildungen (Datenbank; Textverarbeitung). Entsprechende Kurzwörter (PC, DVD) werden – zumeist (vgl. aber IT) – in deutsche Buchstabennamen aufgelöst, größere Computer selbst heißen eher Rechner.

Moderne Technik ist insgesamt eine Quelle für englischsprachigen Einfluss – bis dahin, dass entsprechende Dinge "englische" Namen bekommen, die es im Englischen so nicht gibt (Handy; Beamer). Trotzdem kann man sehen, dass die Mechanismen, mit denen sich die Sprecher des Deutschen um Integration und Verarbeitung der fremden Einflüsse bemühen, durchaus noch funktionieren.

Dysfunktionale Verwendungen

Aus den letztgenannten Beispielen lässt sich allerdings auch schließen, dass das Englische – vor allem in jugendgeprägten und als besonders modern geltenden Kontexten – als sozialsymbolisches Abzeichen gewählt wird. Das betrifft die Neigung zu Anglizismen in Jugendkulturen ebenso wie im weiteren Bereich der Waren- und Produktwerbung. Hier kommt es zu Verwendungen, die von vielen Leuten als dysfunktional angesehen werden. So hat sich in einer unlängst angestellten Untersuchung herausgestellt, dass eine große Zahl der Kunden, die mit englischsprachigen Slogans und Werbebotschaften angesprochen werden, diese nicht (recht) verstehen. Dennoch sind diese Übertreibungen etwas, was man in einer Gesellschaft, die sich an Lebensstilen orientiert, erwarten kann: jeder muss besonders deutlich zu erkennen geben, wie er in unserer unübersichtlichen Welt gesehen werden will.


das manuskript - Verlag & Co.
http://www.das-manuskript.com/verlag-anglizismen.html

verfaßt für Westerwelle Consulting & Media 2001

Die Krux der Anglizismen
oder
Warum wir nicht nur die deutsche sondern auch die englische Sprache verhunzen


Momo Evers

Sie und ich, wir haben etwas gemeinsam: Wir sind der deutschen Sprache mächtig.

Dennoch sprechen wir von Key Account Managern, von Corporate Identity oder Firmen-Wording. Dass die deutsche Geschäftswelt mit Anglizismen nur so um sich wirft und ein Blick in die Stellenangebote der F.A.Z. einen nicht der englischen Sprache mächtigen Leser zur Verzweiflung bringt, ist nichts Neues. Schon unzählige Male wurde die Verarmung der deutschen Sprache oder der Ausgrenzungsaspekt der nicht Englisch sprechenden Bevölkerung von unterschiedlichster Stelle angeprangert. Ohne sichtbaren Erfolg. Das Ortsgespräch heißt noch immer CityCall und der Fahrkartenautomat TicketCounter. Dass englische Worte sich in unseren Wortschatz mischen ist – beklagenswert oder nicht – weder rückgängig zu machen noch zu leugnen.

Anglizismen in der deutschen Sprache - den Sprachliebhaber begeistern sie selten, doch er hat mit ihnen zu leben gelernt. Doch nicht genug damit, dass wir die deutsche Sprache vergewaltigen, wir verhunzen die englische gleich mit.
Und an dieser Stelle ist das Maß voll; die Sprachwissenschaftlerin wird zur Furie.

Wer, so frage ich mich, hat uns die diebische Freude an der deutschen Konjugation englischer Verben eingegeben? Hemmungslos und ohne mit der Wimper zu zucken wird tagtäglich gedownloaded, gebookmarkt, deleted.
Das Handy nennt der Amerikaner mobile phone – wenn wir schon ein neues Wort erfinden, warum dann nicht ein deutsches? Der Dressman ist eine deutsche Wortneuschöpfung für das male model, der Showmaster eine solche für den entertainer, der Evergreen ist in England ein golden oldie; auch Pullunder oder Allround-Talente gibt es nicht in der Welt der englischen Muttersprachler.
Und nicht zuletzt: Auch das Happy End ist eine Verunglimpfung der englischen Sprache. Dort heißt es nämlich happy ending. Wobei uns diesen Lapsus bemerkenswerter Weise kein Geringerer als Kurt Tucholsky bescherte, der in "Danach" dichtete:

"Die Ehe war zum jrößten Teile
 vabrühte Milch und Langeweile.
 Und darum wird beim happy end
 im Film jewöhnlich abjeblendt."

– Recht hat er.
Falsch ist es trotzdem.
Aber was tut man nicht alles für einen guten Reim.

Ohne Grund und Not allerdings sprach sich jüngst Wolfgang Zocher, Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Bestatter, für folgende sprachliche Neuregelung aus: Der Ausbildungsberuf des Bestatters in Deutschland solle umbenannt werden in »funeral master«, der deutsche Sarg solle lieber »peace box« heißen und die jährliche deutsche Bestattermesse fortan den klangvollen Namen »eternity« tragen. Seien wir ehrlich: Irgendwann ist das Maß voll.
Auch die Werbung erdreistet sich nicht, englische Wortneuschöpfungen wie Megaperls zu kreieren, um sie dann im Fernsehen in breitester Mundart mit Megapääärls zu bewerben.

Es ist schade und überaus bedauernswert, dass die deutsche Sprache – die eine lebende Sprache mit einer nunmehr über 1500 Jahre alten Geschichte ist – sich nicht den Herausforderungen der Neuzeit stellt. Dass Diskette, Festplatte und Tastatur einige der wenigen Computerbegrifflichkeiten sind, die nicht kommentar- und phantasielos aus dem Englischen (oder besser: Amerikanischen) übernommen wurden. Und es ist auch erstaunlich bis unverständlich, dass jenen, die solches beklagen, nicht selten Deutschtümelei und Hinterwäldlerei unterstellt wird. Aber nun gut – mit der Erhaltung des »Deutschtums« in jedweder Form haben wir Deutschen nun einmal ein Problem - manchmal zu Recht. Das Autonome Kulturzentrum, ein bekanntes Weimarer Veranstaltungshaus, beispielsweise, liegt unweit des ehemaligen KZs Birkenau. Über dem Eingang ist zu lesen »A-CC« – Autonomes Culture Center.
– Grauenhaft. Ja.
Aber daß man sich dagegen entschied, die Abkürzung A-KZ zu wählen? – Sehr verständlich.

Man will und muss nicht alles übersetzen. Eine Sprache wächst organisch, und wo ein englisches Wort einmal eingeführt ist, kann und sollte man es nicht künstlich durch ein deutsches ersetzen wollen. Selbst die Nazis – sonst bekanntermaßen ekelerregend rigoros in ihren Vorgehensweisen – scheiterten ihrerzeit an ihrem Projekt »Reinheit der deutschen Sprache«. So sollte das Wort Pullover durch den Begriff »Schwubber« ersetzt werden und das Automobil »Selbster« heißen. Nicht einmal das Parteiorgan »Der Stürmer« hielt diese Bezeichnungen durch. Fast möchte man ihm dankbar sein.

Auch eine aktuelle Werbekampagne des Kinobetriebs Cinemaxx für englischsprachige Filme macht uns ohne Zweifel klar, daß nicht alles, was im Original Englisch ist, wirklich Deutsch werden muß. Wer von uns hätte sich gern Filme mit dem klingenden Namen »12 Affen« oder »Befreit Wilhelm!« angeschaut?

Komplett unverständlich hingegen ist wiederum die systematische Ausrottung des schönen Buchstabens »z« durch die deutsche Anglizistenfront. Die Stadtbehörden haben Deutschland mittlerweile nahezu flächendeckend mit »Stadt Centern« und dem schönen Begriff »City Centrum« geflutet. Kaum etwas schult das Sprachempfinden mehr als tagtägliche Konfrontation mit falscher Rechtschreibung – deutscher wie auch englischer. Ein geradezu kongenialer Schachzug der Beamten! Dass der Zirkus immer häufiger zum Cirkus wird, ist man darüber fast noch zu entschuldigen bereit ...

Das Fazit? - Entweder richtiges Deutsch oder richtiges Englisch.
Sie werden sehen: Es geht! Denn Sie und ich, wir haben etwas gemeinsam: Wir sind der deutschen Sprache mächtig ...

© Momo Evers