Tangerine
Dream
Auf der Autobahn Berlin -
Düsseldorf,
in der Nähe von Bielefeld. Ein
schwer bepackter Pkw fährt auf
den Randstreifen, hält an; der Fah-
rer steigt aus, schaut nach;
man hat
eine Panne. Es sitzen noch
mehr Leute im Auto; aber sie
kümmern
sich nicht um die Panne.
"Die blieben darin sitzen",
erzählt
der Fahrer später, "und erzählten
einander von der Jungfrau
Maria."
Der Fahrer hieß Bernd
Krömmelbein,
Architekt und Manager; die
Leute hießen Tangerine
Dream.
Tangerine Dream also, die
Bandleute
blieben im Auto sitzen und
quatschten über
irgendetwas,
was ein Normalbürger mit Mühe nur
versteht. Pannensituation —
Dauerzustand.
Die Eigenwilligkeit ihres
Musizierstils
und die direkte Übersetzung in
ihren Lebensstil zwingen, die
Geschichte
der Band, die als Soul-Band
in Berlin begann, die
Geschichte der
einzelnen Träumer zu erzählen:
Sänger Charlie Prince,
den die
anderen immer mal wieder aus der
Band herauswerfen wollen, weil
er
sie in seiner Extravaganz noch
um besondere Grade
übertrifft,
gründete Tangerine Dream zusam-
men mit Edgar Froese, dem
Gitarristen,
mit Schlagzeuger Lanca
Hapshash, Violinist,
Flötist
und Gitarrist Volker Hombach und ei-
nem, wie Charlie meint,
"kriminellen
Baßmann". Nach 10 Monaten
Soul und langweiliger
Plattenprobe
angelten sie sich einen neuen
Bassisten, Kurt Herkenberg,
und wanderten
zur bewußtseinser-
weiternden und
bewußtseinserweiterten,
kurzum der psychedeli-
schen Musik.
Volker Homach kam vom Jazz
zum Pop,
studiert zuweilen Photogra-
phie, will einmal einen die
Welt schockierenden
Film drehen. Danach
plant er, sich auf eine
einsame lnsel
zurückzuziehen. Der Ostpreuße
Edgar wird von Charlie "ein
Unmensch"
genannt. Er hat Bildhauerei
studiert und fiel den
Träumern
mit den letzten StonesTiteln auf die
Nerven. Kurt will später
Ziegenzucht
betreiben, sollte aber bereits in
England bei den Yardbirds
spielen.
Schlagzeuger Lanse sorgt für den
Gruppenspaß, war mal
vierzehn
Tage verheiratet und leidet seitdem
an Depressionen. Bleibt noch
unser
Gewährsmann für diese Enthül-
lungen: Charlie Prince,
Dali-Verehrer,
in eine Französin verliebt,
glaubt an die Reinheit des
Mannes
und nennt sich einen "vizegött-
lichen
Narzist".
ruk
214
|
|