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Integration - Fremdsprache Deutsch

http://www.zoomer.de/news/topthema/moslems-in-deutschland/fremdsprache-deutsch/artikel/sprache-ist-voraussetzung-fuer-integraion

12.02.2008, 12:27 Uhr

"Das Scheitern ist oft programmiert"
Interview mit Sprachforscher Prof. Dr. Helmut Glück
von Simone Bartsch
Fremdsprache Deutsch: "Das Scheitern ist oft programmiert"

Prof. Dr. Helmut Glück kennt sich mit Deutsch als Fremdsprache aus.

Es scheint selbstverständlich: Die Beherrschung der Sprache ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Integration. Warum aber scheitern so viele Einwanderer an der Sprachhürde in Deutschland? Und ist es vielleicht besser, erst die türkische Muttersprache zu beherrschen, bevor Deutsch gelernt wird? Sprachforscher Helmut Glück von der Universität Bamberg erklärt die Probleme von Migranten mit der deutschen Sprache und das Phänomen der doppelseitigen Halbsprachigkeit.

15 Millionen Migranten leben in Deutschland, davon stammen etwa 25 Prozent aus der Türkei. Wie wichtig ist die Sprache für ihre Integration?

Da gibt es eine griffige Formel: Sprache ist nicht alles, aber ohne Sprache ist alles nix.

Die Migranten leben in unserer Mitte, sind umgeben von der deutschen Sprache. Da muss es doch ganz einfach sein, deutsch zu lernen. Oder?

Nein. In vielen Migrantenfamilien ist türkisch die Familiensprache. Die Kinder leben mit ihren Eltern in entsprechenden Quartieren, in denen auch die Sprache der Straße, die Sprache der Läden, in denen sie einkaufen, türkisch ist. Sie sind also von der türkischen Sprache mehr umgeben als von der deutschen. Und je ausgedehnter dieser türkische muttersprachliche Bereich ist, desto geringer ist natürlich der Druck, die Zweitsprache Deutsch zu erwerben. Und umso geringer sind folglich die Leistungen in der Zweitsprache und die Bereitschaft, die Zweitsprache zu lernen.

Das heißt: Für Kinder in Großstädten, in denen es mehr solcher türkischsprachigen Quartiere gibt, ist es schwerer, deutsch zu lernen, als für Kinder in ländlichen Gegenden…?

Das kann man zugespitzt so sagen. Wenn eben die türkische muttersprachliche Infrastruktur fehlt, dann ist ein Einwanderer natürlich viel stärker gezwungen, sich irgendwie in der Fremdsprache durchzuschlagen. Und das ist sicherlich nicht immer angenehm. Damit sind manchmal tragische, persönliche Schicksale verbunden, beispielsweise, wenn ein Migrant in irgendeinder Behörde aus sprachlichen Gründen scheitert, wo lebensweisende Entscheidungen getroffen werden. Dieser Druck ist nicht lustig. Auf der anderen Seite: In den Großstädten, wo die türkische Muttersprache überall gesprochen wird, ist das Scheitern der Kinder in der Schule programmiert.

Ist es also grundsätzlich ein Problem, zweisprachig aufzuwachsen ?

Das kann man nicht mit ja oder nein beantworten. Es hängt vom sozialen Milieu ab - es gibt wunderschöne Berichte von Diplomatenkindern, die drei- oder viersprachig aufwachsen. In vielen Weltgegenden ist Zweisprachigkeit sogar der Normalfall. Bei Migranten in Deutschland haben wir es aber vor allem zu tun mit einer Kombination von Migration und sozialer Schicht, die für Einwanderer prekär ist. Diese Kombination produziert die Probleme.

Welche Probleme sind das?

Es gibt das hässliche Wort von der doppelseitigen Halbsprachigkeit. Es ist nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen Ländern beobachtet worden, dass Migrantenkinder in beiden Sprachen auf kein konkurrenzfähiges Sprachniveau kommen. Sie können weder halbwegs ordentlich türkisch noch halbwegs ordentlich deutsch.

Dann ist es besser, erst einmal eine Sprache ordentlich zu lernen, bevor eine zweite dazu kommt?

Es gab in den 80er Jahren Untersuchungen, in denen man herausgefunden hat, dass türkische Kinder bessere Leistung im Deutschen haben, wenn sie auch bessere Leistung im Türkischen haben. Es gibt da eine Korrelation zwischen der Sprachbeherrschung der Muttersprache und der Sprachbeherrschung der Fremdsprache. Aber das kann man nicht verallgemeinern. Grundsätzlich ist es am besten, so früh wie möglich eine Sprache zu lernen. Je mehr die Migranten mit deutschsprachigen Menschen zu tun haben, umso einfacher ist das natürlich.

Wirken dann Sprach- und Integrationskurse dem Ziel der Spracherlernung nicht eher entgegen? Schließlich kommen hier lauter „Fremdsprachler“ zusammen…

Nein. Ein Spachkurs ist natürlich besser als gar kein Kurs. Aber die Unterschiede bei den Integrationskursen sind riesig. In Großstädten, wo die potentielle Kundschaft groß ist, sind die Träger in der Lage, halbwegs homogene Gruppen zusammenzustellen und beispielsweise Türkenkurs, Russenkurs und Araberkurs anzubieten. Womöglich gibt es noch eine Einteilung in ähnliche Altersgruppen. In ländlichen Gegenden sind die Träger sozusagen gezwungen, einzusammeln, was sie kriegen können. Und sie kriegen dann Lerngruppen, in denen nicht viel gelernt wird, die einfach nicht zusammenpassen.