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Englisch sei besser als Deutsch …
                               … meinen die Verfechter des Gulaschdeutschs.

http://homepage.univie.ac.at/goetz.fischer/texteundvortraege.htm

Amerika habe „nämlich die stärkere Kultur, da können wir lange zappeln. Sie verfügt auch über die stärkere Sprache. Wer aus dem Amerikanischen übersetzt, erblaßt unweigerlich vor Neid – auf die Eleganz, die Effektivität und die Dichte dieser Sprache, die sich auf unvergleichliche Weise kurz fassen kann.“

Wenn man diese Worte Robin Detjes aus dem Artikel „Aufstand der Zwerge. Die Sprachschutzdebatte: Deutschtum und Deutschtümeln“ (eingesandt von unserem Mitglied Fr. Lore Köhler, aus der Süddeutschen Zeitung vom 22.2.2001) liest, wundert man sich, wie die Pyramiden ohne die Hilfe des Englischen erbaut oder Goethes Maximen und Reflexionen geschrieben werden konnten.  Seltsamerweise hört man oft, dass das Englisch-Amerikanische kürzer, prägnanter, konziser, genauer, griffiger, ja gar treffender als das Deutsche sei. Seltsam erscheint dies jedem Sprachwissenschafter, vor allem aber Deutschlehrern (wie mir), denn jeder Englischsprachige, der Deutsch lernt, ist sofort von den vielfältigen Möglichkeiten, die das Deutsche besitzt (und die dem Englischen fehlen), hingerissen.

Der Titel dieses Aufsatzes z.B. ist nicht unmittelbar ins Englische übertragbar; man muss English is said to be better than German (wörtlich: „Englisch wird gesagt zu sein besser als Deutsch“) oder andere Umschreibungen verwenden, denn das Englische verfügt über fast keine eigenen Wörter der Möglichkeitsform (vgl. flöge, wöge, trüge, wüchse, käme, nähme, schiene, bliebe, litte; in unserem Fall kann sei nichts anderes als Konjunktiv sein). Wie Leid es mir täte, sagt der junge Mann, der in Erich Kästners „Märchen vom Glück“ den alten Engel zur Hölle gewünscht hatte, und zwar mitten im Erzähltext ohne ein einleitendes „Er sagte, …“ Die anführende (indirekte)Rede kann im Deutschen durch die Konjunktivformen unvermittelt im Text auftreten, in diesem Fall durch das «täte» angezeigt. Das betrifft auch Ausdrücke. Was heißt «Schmiere stehen» auf englisch? To act as an outlook oder to keep a look-out. Das erscheint mir doch wesentlich länger als im Deutschen.

Durch die Möglichkeit, unbegrenzt zusammengesetzte Wörter zu bilden, wirkt das Deutsche knapper als das Englische, vgl. Reichsacht = ban of the Empire („Acht von dem Reich“). Eine der größten Stärken des Deutschen ist die Fähigkeit, mittels Vorsilben Tausende Wörter zu bilden, die eine ganz bestimmte Abschattierung zeigen, z.B. ein Buch anlesen = to read a few pages of a book („ein paar Seiten von einem Buch lesen“), überfliegen = to run one’s eye over, spitz zulufen = to end in a point („in einem Punkt enden“) oder gar: der Hund ist mir zugelaufen = the dog found a new home with me after straying („der Hund fand ein neues Heim bei mir nach Streunen“), kein eigener Ausdruck, sondern eine Umschreibung. – Kürzer als Deutsch?

Wie gesagt, sind diese Beispiele keine Einzelfälle, es gibt Tausende solcher Bildungen im Deutschen. «Aus sich herausgehen» heißt = to come out of one’s shell, jemanden herbeirufen = to call for someone to come, jemanden herbemühen = to trouble someone to come here, sich herbemühen = to take the trouble to come here, etwas wegzaubern = to make something disappear by magic, jemanden wegwünschen = to wish that someone were not here usw. usf. Allein von «-gehen» sind mehr als fünf Dutzend Wörter abgeleitet, vgl.:  abgehen, angehen, aufgehen, ausgehen, begehen, dahingehen, danebengehen, darangehen, davongehen, drauflosgehen, draufgehen, durchgehen, eingehen, einhergehen, entgegengehen, entgehen, entlanggehen, entzweigehen, ergehen, fehlgehen, fortgehen, herangehen, herausgehen, hergehen, herumgehen, heruntergehen, hervorgehen, hinaufgehen, hinausgehen, hineingehen, hingehen, hintergehen, hinübergehen, hinuntergehen, hinweggehen, hochgehen, losgehen, mitgehen, nachgehen, nahegehen, nebenhergehen, niedergehen, quergehen, rangehen, rückwärtsgehen, umhergehen, übergehen (trennbar und untrennbar: er geht zur anderen Seite über – er übergeht mich), umgehen (er umgeht die Vorschrift – Drakula geht um), untergehen, vorangehen, voraufgehen, vorausgehen, vorbeigehen, vorgehen, vorhergehen, vorübergehen, vorwärtsgehen, weggehen, weitergehen, zergehen, zugehen, zurückgehen. zusammengehen.

Das sind, wohlgemerkt, nur die Zusammensetzungen mit den gängigen Vorsilben (Verbalpräfixe und Halbpräfixe), andere Zusammensetzungen wie «schiefgehen» oder «rund gehen» oder «verschütt gehen» sind nicht berücksichtigt! Ein Kollege von mir behauptete einmal, das Englische sei dem Deutschen überlegen, weil man Ausdrücke wie „pull down menue“ auf deutsch nicht ausdrücken könne. Dabei handelt es sich um eine Fläche auf dem Bildschirm des Rechners, der sich beim Anklicken entfaltet und untereinander einige Möglichkeiten zeigt (ein „Menü“). Als ich ihm entgegnete, „Klappmenü“ sei eine geeignete Übersetzung und zudem kürzer, sah er mich entgeistert an, sein Weltbild war zerstört. Es sind übrigens in den letzten Jahren viele treffliche Verdeutschungen im EDV-Bereich gefunden und eingebürgert worden (z.B. „Wollen Sie abbrechen?“ statt „Wollen Sie canceln?“)  Man sieht, die Sucht nach US-amerikanischen Wörtern beruht auf einem Vorurteil und ist wie jede Sucht unvernünftig (und ungesund).

Der große deutsche Sprachforscher Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) meinte, alles lasse sich in jeder Sprache ausdrücken. Selbstverständlich wollen wir die englische Sprache nicht verächtlich machen, sie besitzt viele Vorzüge, z.B. die Verlaufsform (I am smoking „Ich rauche gerade“ im Gegensatz zu I smoke „Ich bin Raucher“).  Jede Sprache verfügt über etwas nur ihr Eigenes.

Pflegen wir also unsere Muttersprache und geben wir sie nicht aufgrund einer Mode zugunsten des Englischen auf!


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